Aktuelles zur Vergabe von Konzessionen

© Martin Kozcy

Eine Modernisierung der europäischen Politik und des Europarechts im Zusammenhang mit Auftragsvergaben der öffentlichen Hand steht im Raum. Zentrales Thema ist dabei auch dieÜberarbeitung des Gemeinschaftsrechts zu Konzessionen. Grund genug, sich mit dem Thema „Konzessionen“ einmal eingehender zu befassen.

Modernisierung des Gemeinschaftsrechts

Derzeit findet auf EU-Ebene ein Modernisierungsprozess für das öffentliche Auftragswesen, insbesondere die Vergaberichtlinien, statt.[1] Ende des letzten Jahres hat die Kommission einen Konsultationsprozess zur elektronischen Auftragsvergabe durchgeführt.[2] Aber auch zu Konzessionen wird es endlich mehr Klarheit geben.[3]

Konzessionen in anderen Staaten

Konzessionen spielen für das Angebot an öffentliche Diensten und Infrastruktur eine entscheidende Rolle. Großprojekte werden oft als PPP umgesetzt. Österreich ist eines der letzten Länder Europas, in dem kaum PPPs umgesetzt werden. Vielleicht liegt das daran, dass wir kein Konzessionsgesetz haben.
Irland, Kroatien, Tschechien und Polen zB haben entweder ein Konzessions- oder ein PPP-Gesetz. Auch große Mitgliedstaaten wie Deutschland, Frankreich und Spanien besitzen solche Gesetze oder Spezialgesetze für einzelne Materien. Diese Gesetze regeln anders als in Österreich auch die Verga-be von Konzessionen oder PPPs mittels eigener Verfahren. Polen, Rumänien, Bulgarien oder Serbien haben erst unlängst neue Gesetze verabschiedet oder arbeiten bereits an einer Modernisierung. Auch Russland verfügt über differenzierte gesetzliche Regelungen.[4]
Eine Ausnahme bildet das Vereinigte Königreich, welches dafür über die meiste Erfahrung verfügt und eine Vielzahl an Konzessionsprojekten und PPPs. Auch die Niederlande, Ungarn, Schweden oder Dänemark haben kein spezielles Gesetz aber umfangreiche Erfahrung.

Rechtliche Bedeutung von Konzessionen

Der Konzessionsbegriff stammt aus dem Vergaberecht. Während die Vergabe von Aufträgen idR voll dem Vergaberecht unterliegt, gelten für die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen nur die ge-meinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten und Grundprinzipen wie Nichtdiskriminierung, Transparenz, Wettbewerbsprinzip und Publizität (§ 11 BVergG[5]). Die Vergabe von Baukonzessionsverträgen unter-liegt einem stark vereinfachten Vergaberecht (§ 142 BVergG). Im Öffentlichen Personen Nahverkehr gelten (ebenfalls stark vereinfachte) Sonderbestimmungen.[6] Deshalb ist die Frage, ob ein abzuschließender Vertrag ein Auftrag oder eine Konzession ist, von entscheidender Bedeutung.

Was ist eine Konzession?

Trotz seiner Bedeutung gehört der Konzessionsbegriff und die Abgrenzung zum Auftrag gehört zu den unklarsten Definitionen des Vergaberechts. Mit gutem Grund fragt die Kommission im erwähnten Konsultationsprozess nach Abgrenzungsschwierigkeiten.[7]

Konzessionen zeichnen sich va dadurch aus, dass der Vertragspartner des öffentlichen Konzessions-gebers (= Konzessionär) das Recht und die Pflicht erhält, eine Infrastruktur oder Dienstleistung anzu-bieten. Damit verbunden ist aber, dass er einen substantiellen Anteil am wirtschaftlichen Risiko zu tragen hat, das mit der Vermarktung dieser Infrastruktur/Leistung an Dritte (Nutzer) verbunden ist.
Unter einer Konzession ist aber nicht die Erlaubnis zur Ausübung bestimmter Tätigkeiten (Apotheke, Taxi) oder zur Ausbeutung natürlicher Ressourcen (Bergbau-Konzession) zu verstehen, das einem klassischen, öffentlich-rechtlichen Verständnis in Kontinentaleuropa entspricht.
Zwar hat die Kommission Hilfen für die Auslegung des Konzessionsbegriffes gegeben.[8] Gem Artikel 1 Abs 3 und 4 der RL 2004/18/EG unterscheiden sich Konzessionen von öffentlichen Aufträgen da-durch, dass der Auftragnehmer das wirtschaftliche Betriebsrisiko der betreffenden Bau- oder Dienst-leistung trägt. Auch in der Rechtsprechung des EuGH kommt zum Ausdruck, „dass das Wesen der Konzession darin besteht, dass das Betriebsrisiko in erster Linie oder jedenfalls in erheblichen Umfang vom Konzessionsnehmer selbst getragen wird“.[9] Trotzdem lohnt ein genauerer Blick auf jüngere EuGH-Entscheidungen.
Risikoübernahme bedeutet ua, dass der Konzessionär vertraglich über eine bestimmte wirtschaftliche Freiheit verfügt, um die Bedingungen zur Nutzung seines Rechts zur Vermarktung der Infrastruk-tur/Dienstleistung zu bestimmen. Beispiel: Preisfestlegung oder Variieren der angebotenen Menge, Qualität usw. Nur im Gegenzug ist er weitgehend den mit dieser Nutzung verbundenen Risiken ausgesetzt.[10]
Trägt er das überwiegende Risiko nicht, liegt ein Auftrag vor. Aufzahlungen der öffentlichen Hand in untergeordnetem Ausmaß zusätzlich zu den Nutzerentgelten schaden der Konzession nicht (Förde-rung, Anschubfinanzierung). Sind die Anfangsinvestitionen gering und die Zahl der Nutzer sowie die nachgefragten Leistungen klar abschätzbar, fehlt es an der überwiegenden Risikotragung.[11] Beispiel: Die Anfertigung orthopädischer Schuhe im Auftrag einer Krankenkasse zu einem bestimmten Leiden. Die Zahl der Erkrankungen ist genau abschätzbar und die Anfangsinvestition gering. Muss der Kon-zessionär aber eine Autobahn bauen und sich aus Mauteinnahmen finanzieren, wobei das Ver-kehrsaufkommen ungewiss ist, trägt er ein erhebliches Risiko.
Verfügt der vermeintliche Konzessionär nicht über die beschriebene Entscheidungsfreiheit, sondern muss seine Leistungen zwar an einen unbekannten Abnehmerkreis aber zu festgelegten Konditionen erbringen, handelt es sich um einen Rahmenvertrag, welcher dem Vergaberecht unterfällt.[12]
Eine Konzession erfordert nicht per se eine extrem riskante Tätigkeit. Lediglich das Risiko der fragli-chen Leistung muss so, wie es sich konkret darstellt, zum überwiegenden Teil auf den Konzessionär übergehen.[13]
Der Konzessionär wird typischerweise durch Nutzer und nicht durch den Konzessionsgeber bezahlt. Seine Leistung (Infrastruktur/Dienstleistung) erbringt er ja ihnen gegenüber und nicht an den Konzes-sionsgeber (der hat kein unmittelbares wirtschaftliches Interesse[14]). Das allein reicht aber noch nicht für eine Konzession.[15]

Ausblick

Zurück zum eingangs zitierten Konsultationsprozess. Dem Vernehmen nach ist mit einem Richtlinien-entwurf frühestens im Dezember 2011 (mit fast einjähriger Verspätung) zu rechnen. Dieser wird vor-aussichtlich eine Novelle der bestehenden Richtlinien bringen, Klarstellungen zum Konzessionsbegriff und zur In-House-Vergabe.
Die Vergabe von Konzessionen wird generell zu publizieren sein. Damit würde die Kommission der Rechtsprechung folgen.[16] Die Wahl des Vergabeverfahrens soll völlig frei werden. Für die Präqualifika-tion sollen Grundsätze geregelt werden, ebenso für die Bestimmung der Zuschlagskriterien (objektiv, auftragsbezogen, inkl. total costs of ownership).
Weiters soll ein Mindestrechtschutz vorgesehen werden.[17] Angeblich wird es einen Schwellenwert bei 5 Mio EUR geben. Konzessionen für soziale und Gesundheitsdienste sollen vom Vergaberecht aus-genommen werden.[18] Die Ausnahme des ÖPNV wird wohl bleiben.
Somit stehen einige Neuerungen an. Es macht Sinn, sich dazu schon jetzt eine Meinung zu bilden und begründete Anliegen geltend zu machen, bevor die Richtlinie verabschiedet ist.

Quellen:

[1] Grünbuch der Europäischen Kommission über die Modernisierung der europäischen Politik im Bereich des öffentlichen Auftragswesens; Wege zu einem effizienteren europäischen Markt für öffentliche Aufträge, KOM(2011) 15 endg, 27.01.2011; Evaluation Report SEC(2011) 853 fin vom 27.6.2011; der Bericht 2011/2048(INI) des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz des Parlaments ist seit 5.10.2011 fertig.

[2] Grünbuch zum Ausbau der e-Beschaffung in der EU, SEK(2010) 1214, 18.10.2010.

[3] http://ec.europa.eu/internal_market/consultations/2010/concessions_en.htm

[4] Auch Slowenien, Lettland, Litauen oder Bosnien und Herzegowina haben solche Gesetze.

[5] Vgl ua EuGH, C-324/98, Telaustria; C-231/01, Coname, Rz 16 und 17; C-196/08, Acoset. weitere Nennungen bei C- 206/08, WAZV Gotha, Rz 44.

[6] Art 5 VO 2007/1370 über öffentlichen Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße.

[7] Siehe Fragen 2 und 3 und Fragen 17 bis 20.

[8] Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen im Bereich Konzessionen im Gemeinschaftsrecht, ABl. C 121 vom 29.4.2000. Grünbuch zu öffentlich-privaten Partnerschaften und den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen, KOM(2004) 327 endg.

[9] Kommission im Fragebogen für Unternehmer, FN 1 und 4.

[10] EuGH C-300/07, Oymanns, Rz 71. Auf dieses Risiko wird die Kommission vermehrt abstellen.

[11] EuGH C-300/07, Oymanns, Rz 74.

[12] EuGH C-300/07, Oymanns, Rz 71; C-382/05, Kommission/Italien, Rz 34 und dort angeführte Rechtsprechung.

[13] EuGH C-206/08, Eurawasser, Rz 80; C- 206/08, WAZV Gotha, Rz 77.

[14] EuGH C-451/08, Helmut Müller; Rz 54; C-271/08.

[15] Parkgebühren (C-458/03, Parking Brixen, Rz 40), Fahrscheine (C-410/04, ANAV, Rz 16) Kabel-TV-Gebühren (C-324/07, Coditel Brabant, Rz 24).

[16] EuGH C-196/08, Acoset; Nachweise auch bei Elsner, BVergG3, 21

[17] In Österreich könnten damit auch verfassungsrechtliche Bedenken zur Ausgestaltung der Rechtsschutzverfahren gelöst werden, vgl Grasböck, ZVB 2011, 11.

[18] Leitfaden zur Anwendung der Vorschriften der Europäischen Union über staatliche Beihilfen, öffentliche Aufträge und den Binnenmarkt auf Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse inklusive Sozialdienstleistungen (DAWI), SEC(2010) 1545 endg, 07.12.2010; Leitfaden für die Berücksichtigung sozialer Belange im öffentlichen Beschaffungswesen, http://ec.europa.eu/internal_market/publicprocurement/other_aspects/index_de.htm#social

Thomas Hamerl
CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH