Wirtschaftsmediation und (Anlagen-) Bauprojekte

Mediative Konfliktlösung in der Bauwirtschaft – betriebswirtschaftlich sinnvoll?

Die Wettbewerbssituation in der Bauwirtschaft stellt die Bauunternehmen und Handwerksbetriebe weiterhin vor betriebswirtschaftliche Herausforderungen. Studien und Veröffentlichungen der letzten Jahre belegen, dass professionelles Konfliktmanagement nicht nur sinnvoller Bestandteil des betrieblichen Risikomanagement sein sollte, sondern sich für Unternehmen und Betriebe betriebswirtschaftlich rechnet.

© Martin Koczy

In Deutschland sind zu diesem Themenkreis insbesondere die im „Round Table Mediation und Konfliktmanagement der deutschen Wirtschaft (RTMKM)“ zusammengeschlossenen Wirtschaftsunternehmen in enger Abstimmung. Ein Bauunternehmen findet sich derzeit noch nicht auf der Mitgliederliste (www.rtmkm.de). Dieser Umstand stimmt mit der Wahrnehmung überein, dass das außergerichtliche Konfliktlösungsverfahren der Wirtschaftsmediation weiterhin nicht zum Standardrepertoire im Rahmen der Planung und Abwicklung von Bauprojekten gehört, auch wenn repräsentative Verfahren wie das Flughafenforum Wien-Schwechat der Mediation zu internationaler Anerkennung verholfen haben und in Österreich das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft regelmäßig über “best-practice“-Projekte berichtet (www.partizipation.at).

Wirtschaftsmediation als Teil des Konfliktmanagement im Rahmen der Projektabwicklung

Ausgangspunkt ist, dass Mediation ein grundsätzlich positiv besetzter Begriff ist. Im Rahmen einer Wirtschaftsmediation geht es um die Vermeidung oder Regelung von Konflikten, insbesondere im Rahmen größerer Wirtschaftsprojekte. Als klar strukturiertes Verfahren läuft es in 5 Phasen ab: 1. Darstellung und Erläuterung des Verfahrens; 2. Informationssammlung; 3. Interessenklärung; 4. Suche, Auswahl und Bewertung von Lösungsansätzen; 5. Mediationsvereinbarung und Umsetzung.

Phase 1 Darstellung und Erläuterung des Verfahrens

Themenschwerpunkt der ersten Phase ist neben der Erläuterung der Prinzipien und Grundlagen der Mediation durch den Mediator die Klärung, ob Mediation das geeignete Verfahren ist, eine Klärung der Konfliktfelder zwischen den Parteien zu erreichen. Geht es z.B. um die Klärung einer isolierten Rechtsfrage, so käme eine Schlichtung (Abschluss durch einen Schlichterspruch) oder unter Umständen auch die gerichtliche Klärung einer zwischen den Parteien strittigen Grundsatzfrage in Betracht. Sind sich Mediator und die Konfliktparteien über die Geeignetheit des Mediationsverfahrens einig, werden die organisatorischen Themen des Verfahrens festgelegt. Hierzu gehört auch die Klärung über Art und Umfang der Einbindung und Beteiligung von Rechtsanwälten / Sachverständigen.

Phase 2 Informationssammlung

In der zweiten Phase geht es zentral um die Sammlung jener Themen, die im Rahmen der Mediation besprochen und geregelt werden sollen, ohne bereits in die Klärung einzusteigen. Es ist festzulegen, über welche Nachträge, Zusatzleistungen, Vergütungsansprüche, Schadensersatzansprüche etc. die Parteien sprechen müssen. Die Zusammenstellung der Themen verschafft einen Überblick über die inhaltlichen Diskussionspunkte. Oft werden dabei Konfliktfelder erkennbar, die nicht unmittelbar den Konfliktgegenstand betreffen, sondern die Art und Weise des Umgangs der Konfliktbeteiligten miteinander. Nach Sichtung der Themensammlung wird festgelegt, welche Tatsachen noch offen zu legen und welche Informationen im weiteren Verfahren beizubringen sind.

Phase 3 Interessenklärung

Die Phase der Interessenklärung stellt das Herzstück der Mediation dar. Die Positionen der Parteien zu den in der Phase 2 festgelegten Themenfeldern sind seitens des Mediators abzufragen und zu hinterfragen. Ausgangspunkt ist, dass hinter jeder Position der Parteien konkrete Interessen stehen, die in den bisherigen Konfliktgesprächen oft nicht offengelegt wurden. Es geht um die Förderung des gegenseitigen Verstehens. Es wird transparent, warum und wieso den Beteiligten das Eine oder Andere so wichtig ist.

Phase 4 Suche, Auswahl und Bewertung von Lösungsansätzen

Die Phase 4 fokussiert auf die Kernfrage „Was wäre jetzt alles denkbar?“ Die strukturierte und im Verfahren fest verankerte Entwicklung von Lösungsansätzen unterscheidet die Mediation von allen anderen (außer-)gerichtlichen Verfahren. Es geht nicht um die Aushandlung eines Kompromisses (Vergleich), sondern um die, nicht auf die Themenfelder beschränkte, Suche nach Konsensmöglichkeiten. Anschließend werden die Optionen auf ihre Realisierbarkeit überprüft und die Vor- und Nachteile abgewogen.

Phase 5 Mediationsvereinbarung und Umsetzung

Am Ende eines Mediationsverfahrens  steht schließlich die Frage, wie das Einigungsergebnis konkret umgesetzt werden kann. Dies umfasst – ggf. durch Hinzuziehung der Parteianwälte – die Abfassung eines schriftlichen Vertrages. Sofern es die Konfliktpartner wünschen, gibt es in Österreich und Deutschland Möglichkeiten, eine Vollstreckbarkeit dieses Vertrages zu erreichen. Die Abschlussvereinbarung bietet dann hinsichtlich ihrer Durchsetzbarkeit die gleiche Sicherheit wie ein gerichtliches Urteil.

Welche Aufgaben hat der Mediator während der Mediation?

Der Mediator ist ein neutraler Vermittler, der die gemeinsamen Verhandlungen begleitet. Er achtet auf die Einhaltung der Verfahrensprinzipien und führt durch die verschiedenen Phasen des Mediationsverfahrens. Als seine Hauptaufgaben sind zu nennen:

  • Prüfung, ob das Mediationsverfahren geeignet ist, eine Konfliktklärung herbeizuführen;
  • Darlegung der Strukturen und der Grundsätze der Mediation;
  • Förderung eines effektiven Verhandlungsprozesses;
  • Strukturierung der zielgerichteten Verhandlungen;
  • Klärung mit den Parteien, wie gemeinsame Vereinbarungen verwirklicht bzw. umgesetzt werden können. 

Vorteile eines Mediationsverfahrens

Eingangs wurde ausgeführt, dass die Wettbewerbssituation in der Bauwirtschaft die Baufirmen und Handwerksbetriebe weiterhin vor betriebswirtschaftliche Herausforderungen stellt. Welche betriebswirtschaftlichen Vorteile bietet ein Mediationsverfahren?

  • Kurzfristige Terminierung 

Die Parteien sind – in Abgrenzung zu einem gerichtlichen Verfahren – in der Abstimmung der Termine frei. Beim gerichtlichen Verfahren werden die Termine / Fristen bekanntlich durch das Gericht Monate vorher festgelegt. Eine Verschiebung von Gerichtsterminen durch die Parteien oder deren Anwälte führt regelmäßig zu einer Verlängerung des Gerichtsverfahrens um 2-3 Monate.

  • Kurze Verfahrensdauer

Ein Mediationsverfahren nimmt nur wenige Verhandlungstage in Anspruch, nach denen absehbar ist, ob eine Einigung erreicht werden kann oder das Verfahren besser zu beenden ist. Die Verfahrensdauer bei Gericht liegt schon aufgrund der notwendigen Fristen (Zustellung Klage, Einzahlung Gerichtskosten, Klageerwiderung) und der gerichtlichen Terminierung bei mehr als 6 Monaten bis zu mehreren Jahren. Der mögliche „Weg durch die Instanzen“ ist dabei noch nicht berücksichtigt.

  • Geringe Verfahrenskosten

Die Verfahrenskosten bei Durchführung eines Mediationsverfahrens sind geringer als die anlässlich eines Gerichts- oder Schiedsgerichtsverfahrens. Die Verfahrenskosten einer Mediation richten sich nur nach dem Zeitaufwand (Stundensatz) und es fallen, im Gegensatz zum gerichtlichen Verfahren, keine Gerichtskosten und ähnliche Ausgaben an. Weitere betriebswirtschaftliche Kostenvorteile ergeben sich aus dem Umstand, dass die Ressourcen der Parteien nicht mit einem langwierigen, unsicheren und gegebenenfalls über mehrere Instanzen gehenden Rechtsstreit belastet werden. Es entfallen die „weichen Kosten“, die zum Beispiel dadurch entstehen, dass ein Rechtsstreit für die gesamte Dauer des Verfahrens durch Mitarbeiter betreut werden muss.

  • Hohe Planungssicherheit

Die Redewendungen „Vor Gericht und auf hoher See …“ oder „Vor Gericht bekommt man ein Urteil, aber kein Recht“ sind allseits bekannt. Ein sich über Jahre hinziehender Rechtsstreit hindert die Planungssicherheit der Unternehmen. Während Dauer und Ausgang eines Rechtsstreits vor Gericht ungewiss sind, liegt die zeitliche und inhaltliche Gestaltung des Mediationsverfahrens sowie die Abfassung des Mediationsergebnisses in den Händen der Konfliktparteien selbst. Die im Durchschnitt 2 – 3 Tage dauernde Mediation und die dadurch schnell erreichbare Einigung tragen wesentlich zur Planungssicherheit der Unternehmen bei.

Neben den betriebswirtschaftlichen Vorteilen sind folgende verfahrensbezogene Vorteile zu nennen:

  • Die Verfahrens- und Entscheidungsautonomie obliegt den Parteien und nicht dem (Schieds)-Richter.
  • Alle relevanten Aspekte („Konfliktfelder“) können berücksichtigt werden.
  • Die Interessen der Parteien und nicht nur die Rechtslage findet Berücksichtigung.
  • Die zukünftige Zusammenarbeit und die Aufarbeitung der Vergangenheit stehen im Fokus.
  • Mangels einer öffentlichen Verhandlung können die Vertraulichkeit und der Schutz der persönlichen/geschäftlichen Beziehungen gewahrt bleiben. 

Als ergebnisbezogene Vorteile sind zu nennen:

  • Es geht um die Erarbeitung einer Einzelfalllösung und nicht um die Anwendung der Rechtslage auf einen konkreten Sachverhalt.
  • Ziel ist eine konsensuale Lösung und kein Kompromiss / Vergleich.  

Anwendungsumfang

Wenn Wirtschaftsmediation als eines der verfügbaren außergerichtlichen Konfliktlösungsverfahren so vorteilhaft ist, warum wird es dann nicht vermehrt in der Projektabwicklung vereinbart bzw. angewendet?

Hier sehe ich folgende Punkte:

  • Der Begriff „Mediation“ ist zwar bekannt, vertiefte Kenntnisse über den Inhalt und die Verfahrensgestaltung eines Mediationsverfahrens bestehen aber oft nicht.
  • Befinden sich die Parteien schon im Konflikt, dann wird der „gewohnte“ Gang zu Gericht beschritten. Auf andere außergerichtliche Verfahren angesprochen, sehen die Parteien keine Möglichkeit, mit der Gegenseite eine Abstimmung vornehmen zu können.
  • Im Rahmen des Vertragsabschlusses wird selten eine präventive Vereinbarung darüber getroffen, wie in einem zukünftigen Konfliktfall vorgegangen wird und welche außergerichtlichen Konfliktlösungsverfahren in Betracht kommen. Wenn überhaupt, erörtern die Parteien die Frage „Gericht oder Schiedsgericht?“.
  • Die Vertragspartner ziehen nicht in Betracht, dass Mediation auch als „Vorstufe“ zu einem (schieds)-gerichtlichen Verfahren vereinbart werden kann.
  • Viele Baufirmen und Handwerksbetriebe haben noch keine Erfahrung bzgl. der außergerichtlichen Konfliktklärung im Rahmen eines Mediationsverfahrens.

Fazit:

Kommunikation und strukturiertes Konfliktmanagement sind Grundbestanteile einer erfolgreichen Projektabwicklung. Die Vereinbarung und Durchführung eines Mediationsverfahrens kann zum betriebswirtschaftlichen (Bau-)Projekterfolg beitragen. Probieren Sie es aus!

Dietmar Ludolph