Der Baufortschritt nach dem Bauträgervertragsgesetz (BTVG) Welche Mängel oder Fehlleistungen hindern die Beurteilung eines Bauabschnitts als abgeschlossen?

© Martin Kozcy

Bei grundbücherlicher Sicherstellung eines Erwerbers aus einem Bauträgervertrag mit Zahlung nach Ratenplan soll ein wirtschaftlicher Gegenwert in Form der Eigentumsrechte bzw Anwartschaftsrechte und der schon geschaffenen Bauleistungen gesichert werden. Die Baufortschrittskontrolle nach BTVG ist eine Kontrolle des Wertzuwachses und primär keine Qualitätskontrolle. In der Praxis stellt sich für Bauträger, den Baufortschritt beurteilende Sachverständige und Treuhänder immer wieder die Frage, ob ein Baufortschritt „abgeschlossen ist“, wenn noch Leistungen fehlen oder Mängel zu Tage treten.

Allgemeines

Das BTVG schützt Erwerber von Wohnungen und Gebäuden überall dort, wo das zu erwerbende Objekt erst errichtet oder zumindest durchgreifend erneuert werden muss und der Erwerber den Kaufpreis bzw. Errichtungspreis bereits vor Fertigstellung (i.S. des vertraglich vereinbarten Bau- und Ausstattungszustand) zu bezahlen hat. In diesen Fällen läuft der Erwerber Gefahr, seine bezahlten Mittel zu verlieren, ohne dafür die Gegenleistung, nämlich das zu errichtende Objekt zu erhalten. In den überwiegenden Fälle der Abwicklung von Bauträgerprojekten erfolgt die Sicherstellung des Erwerbers mit dem, in den §§ 9 und 10 BTVG geregelten, grundbücherlichen Sicherungsmodell bei Zahlung nach dem gesetzlich vorgegebenen Ratenplan. Die Zahlung nach Ratenplan soll Gewähr leisten, dass die Zahlungen des Erwerbers bzw. die Auszahlungen des treuhändig erlegten Kauf- oder Errichtungspreises an den Bauträger in etwa dem Wert der von diesem bereits erbrachten Leistungen entsprechen. Die Baufortschritte sind in § 10 BTVG geregelt, in der Praxis treten jedoch häufig Auslegungsprobleme auf.

Die Bauabschnitte des § 10 BTVG (Zahlung nach Ratenplan)

Abs. 1 regelt, dass der vereinbarte Preis in Raten zu entrichten ist, „die jeweils erst nach Abschluss der in Abs. 2 festgelegten Bauabschnitte fällig werden“.

Die nach Abs. 2 möglichen Ratenpläne A und B legen folgende Bauabschnitte fest:

  • Baubeginn aufgrund einer rechtskräftigen Baubewilligung
  • Fertigstellung des Rohbaus und des Dachs
  • Fertigstellung der Rohinstallationen
  • Fertigstellung der Fassade und der Fenster einschließlich deren Verglasung
  • Bezugsfertigstellung oder bei vereinbarter vorzeitiger Übergabe des eigentlichen Vertragsgegenstandes
  • Fertigstellung der Gesamtanlage
  • Ablauf von drei Jahren ab der Übergabe des eigentlichen Vertragsgegenstandes

Der Gesetzgeber definiert den genauen Inhalt eines jeweiligen Bauabschnittes nicht. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage sagen dazu folgendes: „Die Fertigstellung der in Abs. 2 Z 2 festgelegten Bauabschnitte ist nicht schwierig festzustellen, allfällige Zweifelsfragen  werden mit Hilfe der allgemeinen Verkehrsauffassung in der Baubranche zu beantworten sein. Zu betonen ist, dass die Baufortschrittskontrolle primär keine Qualitätskontrolle sein soll, wesentlich ist hier stets nur der Aspekt der Sicherung des Erwerbers durch den Wertzuwachs der Liegenschaft auf Grund der Bauarbeiten.“ „Das Vorliegen geringfügiger Mängel hindert grundsätzlich nicht die Beurteilung eines Bauabschnitts als abgeschlossen, sofern die Mängel nicht so gravierend sind, dass schon nach allgemeiner Verkehrsauffassung nicht vom Erreichen des betreffenden Fertigstellungsgrades gesprochen werden kann; dies wäre etwa dann der Fall, wenn der zur Mängelbehebung erforderliche Aufwand im Verhältnis zu den für den jeweiligen Bauabschnitt zu leistenden Zahlungen  unverhältnismäßig erscheint.“

Die Verantwortung für die Beurteilung des Abschlusses eines Bauabschnittes

Der Treuhänder ist dafür verantwortlich, die einzelnen Raten an den Bauträger auszuzahlen, wenn deren Fälligkeit eingetreten ist. Er kann gemäß § 13 Abs. 2 BTVG zur Feststellung des Abschlusses des jeweiligen Bauabschnitts einen für Hochbau zuständigen Ziviltechniker, einen allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für das Bauwesen oder eine im der Förderung des Vorhabens tätige inländische Gebietskörperschaft beiziehen. Diese haften dem Erwerber unmittelbar. Die Bauabschnittsbestätigung des Sachverständigen entbindet den Treuhänder nicht von seiner unmittelbaren Verpflichtung zur Prüfung der Erreichung des jeweiligen Bauabschnitts. Ob er dem Sachverständigen vertrauen darf, hängt von den jeweiligen Umständen ab. Hat er Kenntnis von Umständen, die Zweifel am Abschluss eines Bauabschnittes hegen, muss er dem nachgehen.

Das BTVG selbst gibt keine näheren Anhaltspunkte für die notwendige Gestaltung der Bauabschnittsprüfungen. Es spricht lediglich vom „Abschluss“ der in § 10 Abs 2. festgelegten Bauabschnitte. Die ÖNORM B 2120 (Mindesterfordernisse für einen Bauträgervertrag) enthält eine genauere Beschreibung jener Bauleistungen, die bei der Bauabschnittsprüfung des jeweiligen gesetzlichen Bauabschnitts entsprechend vorhanden sein müssen. Grundsätzlich muss die Geltung einer ÖNORM jedoch vertraglich vereinbart worden sein, um Anwendung zu finden. Allenfalls werden die in der ÖNORM geregelten Umstände aber auch allgemeine Verkehrsauffassung in der Baubranche. Insofern gestalten die, die Baufortschritte bestätigenden Sachverständigen das Recht um den Baufortschritt mit.

Der Sachverständige, der sich weitgehend auf eine optische Prüfung beschränken kann, haftet im Rahmen des BTVG, wenn er „gravierende“ Mängel nicht erkannt und deshalb zu Unrecht einen Baufortschritt bestätigt hat. Durch eine voreilige Annahme des Abschlusses eines Bauabschnittes wird ein Rückzahlungsanspruch des Erwerbers gegen den Bauträger begründet. Wenn die tatsächliche Fertigstellung durch den Bauträger unterbleibt, haftet der Sachverständige für den Fertigstellungsaufwand. Bei der Schadensberechnung ist darauf abzustellen, wie viel des voreilig bestätigten Bauabschnitts noch nicht erbracht wurde.

Das Kriterium des „gravierenden“ Mangels

Der „gravierende“ Mangel ist leider nirgends genau definiert. Bei der Beurteilung ist die allgemeine „Verkehrsauffassung“ innerhalb der Baubranche maßgebend. Der „gravierende“ Mangel ist nicht ident mit dem „wesentlichen“ Mangel des Gewährleistungsrechtes, der den Gebrauch der Sache verhindert. Judikatur zum „gravierenden Mangel“ i.S. des BTVG fehlt weitgehend. Geringfügige Mängel und fehlende Maßnahmen in geringfügigem Ausmaß hindern die Beurteilung eines Bauabschnittes als abgeschlossen jedenfalls nicht. Mängel und fehlende Leistungen sind nur dann „gravierend“ und somit von Bedeutung, wenn der üblicherweise durch die Bauarbeiten eingetretene Wertzuwachs deutlich zurückbleibt. So gilt zB der Bauabschnitt „Rohbau mit Dach“ als abgeschlossen, selbst wenn die Dacheindeckung in einem kleinen Bereich fehlt, weil dort ein Lastenaufzug zu installieren ist. Der Baufortschritt „Fenster und Verglasung“ darf auch dann als abgeschlossenen beurteilt werden, wenn nur mehr ein Fenster noch nicht eingebaut wurde, weil dies objektiv bautechnisch geboten ist, um den Baufortschritt insgesamt zu erleichtern. Eine installierte Heizungsanlage, die aufgrund eines geringfügigen Fehlers nicht funktioniert, ist nicht mit einem „gravierenden“ Mangel i.S. des BTVG behaftet, auch wenn ein wesentlicher Mangel i.S. des Gewährleistungsrechtes gegeben ist.

Die Baufortschrittskontrolle sichert den Erfüllungsanspruch des Erwerbers gegen den Bauträger in der Bauphase, die Sicherungspflicht des Bauträgers endet „technisch“ mit der Übergabe des fertig gestellten Vertragsobjektes. Treten später Mängel zutage, so haftet der Bauträger nach den Regeln der Gewährleistung und des Schadenersatzes.

Manuela Maurer-Kollenz