Pandemiebedingte Preissteigerungen und Lieferverzögerungen

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Die Bauwirtschaft ist von den COVID-19 Auswirkungen seit Beginn der Krise stark betroffen. Materialpreissteigerungen und Lieferengpässe infolge eingeschränkter Verfügbarkeit von Baustoffen gehören zur Tagesordnung. Aufgrund von Quarantänemaßnahmen eingeschränkt verfügbare Arbeitskräfte bewirken weitere planwidrige Verzögerungen auf den Baustellen. Infolgedessen können durch den Bauunternehmer zugesagte Pauschal- oder Fixpreise sowie Liefertermine partiell nicht eingehalten werden.

Abgesehen von den makro-ökonomischen Auswirkungen dieser Krise in der Bauwirtschaft stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, inwiefern zugesagte Pauschal- oder Fixpreise sowie Fertigstellungstermine für den Bauunternehmer in diesem Kontext noch verbindlich sind und welche rechtlichen Auswirkungen solche Preiserhöhungen und Lieferverzögerungen im jeweiligen Einzelfall auf einen Bauvertrag haben können.

Ruhen der Vertragsverpflichtungen?

Der Bauvertrag ist als Werkvertrag iSd §§ 1151 ff ABGB zu qualifizieren, der den Bestimmungen des ABGB unterliegt. Auf Besonderheiten der ÖNORM B 2210 und B 2118, deren Bestimmungen nur dann zur Anwendung gelangen, wenn dies vertraglich vereinbart wird (was bei Bauverträgen nicht selten der Fall ist), wird an dieser Stelle nicht gesondert eingegangen.

Aus den Bestimmungen von § 1168 iVm § 1168a Satz 1 ABGB ergibt sich, dass das Risiko für Verzögerungen und Erschwernisse, das nicht der Sphäre des Auftraggebers zuzuordnen ist, der Auftragnehmer und somit der Bauunternehmer zu tragen hat. Damit wird auch die Gefahrtragung der sogenannten „neutralen Sphäre“ dem Bauunternehmer zugewiesen, worunter auch die höhere Gewalt subsumiert wird. Und nach herrschender Meinung handelt es sich bei den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie um höhere Gewalt; dies zumal die Pandemie – auch im Hinblick auf die Bauwirtschaft – als ein von außen einwirkendes, außergewöhnliches, unvorhersehbares und nicht abwendbares Ereignis zu werten ist.

Auch Kletečka vertritt die Auffassung, dass pandemiebedingte Preissteigerungen und Lieferverzögerungen zur neutralen Sphäre zählen. Er zieht daraus allerdings den Schluss, dass diese ein Ruhen der wechselseitigen Vertragspflichten bewirken. Seiner Ansicht nach käme der Bauunternehmer nicht in Verzug, es fielen keine Vertragsstrafen an und den Bauherrn würden für diesen Zeitraum keine Entgelts- oder Mitwirkungsverpflichtungen treffen. Die Mehrheit der Lehre schließt sich dieser Meinung von Kletečka jedoch nicht an. Dies liegt überwiegend darin begründet, dass der Gesetzgeber mit den §§ 1168 f ABGB bereits eine Risikozuweisung zu Lasten des Auftragnehmers getroffen hat, die eine abweichende Auslegung wohl kaum zulässt.

Daraus folgt, dass ein Bauunternehmer als Auftragnehmer ausgehend von den Bestimmungen des ABGB das Risiko zu tragen hat, dass er pandemiebedingt, sohin aufgrund höherer Gewalt, zugesagte Fertigstellungstermine und Preise nicht einhalten kann. Das heißt, ein Bauunternehmer kann durch pandemiebedingte Verzögerungen der Fertigstellungstermine in Verzug geraten. Und aus pandemiebedingten Preissteigerungen kann ein Bauunternehmer grundsätzlich keine Mehrkostenforderungen gegen den Auftraggeber ableiten. Vielmehr bleibt ein Bauunternehmer ausgehend von den Werkvertragsbestimmungen des ABGB an zugesagte Fertigstellungs- und Liefertermine sowie an zugesagte Pauschal- oder Fixpreise gebunden, es sei denn, dass im jeweiligen Bauvertrag rechtswirksam eine davon abweichende Vereinbarung getroffen wurde.

Verzugsfolgen im Detail

Waren die jeweiligen Auswirkungen der Pandemie zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses für den Bauunternehmer bereits vorhersehbar, ist die Ressourcenplanung des Bauunternehmers mangelhaft erfolgt oder hat der Bauunternehmer Bautätigkeiten eingestellt, obwohl dies nicht nötig war, liegt ein verschuldeter, subjektiver Verzug des Bauunternehmers nahe. Liegt kein dem Bauunternehmer vorwerfbares Verhalten vor, zB weil Verzögerungen auf nicht vorhersehbare Lieferengpässe oder Ausfälle von Arbeitskräften zurückzuführen sind, wird ein verschuldeter, subjektiver Verzug des Bauunternehmers nur schwer zu argumentieren sein.

Ein vom Bauunternehmer verschuldeter Verzug berechtigt den Auftraggeber, vom Vertrag zurückzutreten und vom Bauunternehmer den Ersatz aller Nachteile (d.h. den Verspätungs- oder Nichterfüllungsschaden) zu fordern, die durch die Verspätung der Leistung oder die Nichterfüllung entstehen. Der Auftraggeber kann natürlich auch am Vertrag festhalten und vom Bauunternehmer die Erfüllung der vereinbarten Leistung verlangen. Gleiches gilt für den Fall eines vom Bauunternehmer nicht verschuldeten, objektiven Verzuges, dies jedoch mit der Ausnahme, dass dem Auftraggeber diesfalls kein Schadenersatzanspruch gegen den Bauunternehmer zukommt.

Vertragsstrafen?

Doch nicht selten sind in Bauverträgen für Leistungs- oder Lieferverzüge Vertragsstrafen vereinbart. Diesfalls gilt für vor dem 01.04.2020 abgeschlossene Bauverträge gemäß § 4 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, dass Vertragsstrafen iSd § 1336 ABGB nicht zu zahlen sind, soweit der Schuldner der Vertragsstrafe als Folge der COVID-19-Pandemie entweder in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt ist oder die Leistung wegen Beschränkungen des Erwerbslebens nicht erbringen kann. Diese Bestimmung greift unabhängig davon, ob den Bauunternehmer ein Verschulden am Verzug trifft oder nicht.

Wurde eine Vertragsstrafe in einem nach dem 01.04.2020 abgeschlossenen Bauvertrag vereinbart, ist die Fälligkeit einer Vertragsstrafe von der individuellen Vereinbarung im Bauvertrag abhängig. Häufig wird dafür ein vom Bauunternehmer verschuldeter Verzug vorausgesetzt. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass es sich um eine vertragliche Haftung handelt und folglich der Bauunternehmer gemäß § 1298 ABGB zu beweisen hat, dass ihn kein Verschulden am Verzug trifft. Vertragsstrafen unterliegen jedoch dem unabdingbaren richterlichen Mäßigungsrecht nach § 1336 Abs 2 ABGB, mit welchem unter Umständen eine richterliche Reduktion der Vertragsstrafe erwirkt werden kann.

Um die wirtschaftlichen Risiken des Bauunternehmers im Zusammenhang mit pandemiebedingten Liefer- und Leistungsverzügen sowie Preissteigerungen abzufedern, ist es daher empfehlenswert, im Bauvertrag vorzusorgen und Gefahrtragungsregeln sowie Preisgleitklauseln – besonders für den Fall von höherer Gewalt und von Auswirkungen der Coronapandemie – aufzunehmen. Das ist zulässig, weil die §§ 1168 f ABGB dispositives Recht darstellen und die Vertragsparteien davon abweichende Vereinbarungen treffen können. Zu beachten ist, dass Preisanpassungsklauseln bei Geschäften mit Verbrauchern individuell ausgehandelt werden sollten, zumal eine Vorformulierung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern unter Umständen gemäß § 6 Abs 1 Z 5 KSchG die Unwirksamkeit der jeweiligen Klausel bewirken könnte.

Matthias Nödl