Berufshaftpflichtversicherung für Architekten

Gerichtszahl: OLG Stuttgart 27.11.2008, 7 U 89/08

Ist Begrenzung der Nachhaftung zulässig?

Leitsätze:

© Martin Kozcy

1. Die Beschränkung des Deckungsschutzes in der Berufshaftpflichtversicherung auf Schäden, die spätestens fünf Jahre nach Ablauf des Vertrages gemeldet werden, ist als vertragliche Risikobegrenzung wirksam.

2. Versäumt der Versicherungsnehmer diese Frist, kann der Versicherer Deckungsschutz nicht versagen, wenn den Versicherungsnehmer nachweislich kein Verschulden an der Versäumung der Frist trifft.

3. Kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Versicherungsnehmer bis zum Ablauf der Frist Kenntnis vom Versicherungsfall erlangt hat, ist der Beweis fehlenden Verschuldens nicht geführt.

Sachverhalt:

Die Kläger, Rechtsnachfolger eines Architekten, verlangen von der Beklagten Deckungsschutz aus einer Berufshaftpflichtversicherung.

Architekt M. unterhielt bei der Beklagten seit 1988 eine Berufshaftpflichtversicherung. Er wurde mit dem Umbau und der Erweiterung eines Einfamilienhauses in E. beauftragt. Erstellt wurde dabei ein Wintergartenanbau. Wenige Wochen nach dem Bezug des Hauses im Herbst 1996 kam es zu einem Brand, bei dem der Wintergarten beschädigt wurde. Architekt M. erhielt auch den Auftrag zur Beseitigung des Brandschadens. Die Sanierung wurde an die Firma Metallbau S. vergeben, die den Wintergarten nicht hergestellt hatte. Vor Ausführung der Arbeiten meldete die Firma mit Schreiben vom 19.11.1996 gegenüber dem Architekten Bedenken gegen das bisherige Gewerk an und lehnte eine Gewährleistung ab. Nach der Sanierung rügte Architekt M. in den Jahren 1997 und 1998 gegenüber der Firma Metallbau S. Undichtigkeiten in der Glasdachkonstruktion. Architekt M. verstarb am 13.04.2000. Seine Alleinerbin, Rechtsanwältin S., teilte der Beklagten mit Schreiben vom 18.05.2000 den Tod des Architekten mit und bat unter Bezugnahme auf die Versicherung, keine weiteren monatlichen Abbuchungen vorzunehmen. Die Aufhebung der Versicherung wurde mit Schreiben der Beklagten vom 24.05.2000, dessen Zugang streitig ist, bestätigt. In dem Schreiben wurde auch auf die Nachhaftungsfrist von fünf Jahren und die Möglichkeit einer Verlängerung gegen Zahlung eines Einmalbetrages hingewiesen. Die besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Berufshaftpflichtversicherung von Architekten u. a. enthalten unter A II.1 folgende Regelung:

Der Versicherungsschutz umfasst Verstöße, die zwischen Beginn und Ablauf des Versicherungsvertrages begangen werden, sofern sie dem Versicherer nicht später als fünf Jahre nach Ablauf des Vertrages gemeldet werden.

Rechtsanwältin S. verstarb am 05.12.2002. Durch Schreiben des Rechtsanwalts der Bauherrin vom 20.12.2005 wurden der Beklagten mögliche Ansprüche gegen den Architekten in der genannten Bausache mitgeteilt. Gegen die Erben von Rechtsanwältin S. – die Kläger – ist seit 30.12.2005 beim Landgericht Stuttgart ein von der Bauherrin angestrengtes selbständiges Beweisverfahren anhängig (27 OH 18/05). Die Bauherrin behauptet, die Glasdachkonstruktion hinsichtlich des vorgenannten Wintergartens sei undicht, was auf dem Architekten zurechenbare Planungs- und Ausführungsfehler zurückzuführen sei.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Nachhaftungsfrist sei ohne Anzeige einer Inanspruchnahme der Versicherung abgelaufen. Das Verschulden des Versicherungsnehmers spiele bei der Versäumung von Ausschlussfristen keine Rolle.

Die Kläger legen dagegen Berufung ein.

Aus den Gründen (Auszüge):

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

Die Kläger können von der Beklagten die Gewährung von Versicherungsschutz wegen angeblicher Planungs- und Überwachungsfehler des Architekten M. nicht verlangen, weil die Beklagte sich darauf berufen kann, dass die Meldefrist nach A II. Nr. 1 der besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Berufshaftpflichtversicherung von Architekten, Bauingenieuren und Beratenden Ingenieuren versäumt wurde.

1. Die Meldefrist wurde nicht eingehalten. Die möglichen Fehler des Architekten sind der Beklagten erst nach Ablauf der Meldefrist von fünf Jahren bekannt geworden.

Die Frist begann mit Aufhebung des Vertrages Ende Mai 2000.

Unstreitig wurden der Beklagten mögliche Planungs- und Überwachungsfehler des Architekten erst im Dezember 2005 durch den Rechtsanwalt der angeblich geschädigten Bauherrin mitgeteilt. Zu diesem Zeitpunkt war die Meldefrist von fünf Jahren aber bereits abgelaufen.

2. Allerdings hat das Landgericht unzutreffend angenommen, dass hinsichtlich der Versäumung der Ausschlussfrist ein Entschuldigungsbeweis nicht möglich ist. Zwar sehen die Versicherungsbedingungen eine solche Entlastungsmöglichkeit nicht ausdrücklich vor. Die Klausel ist aber so auszulegen, dass der Versicherer sich auf eine Versäumung der Frist nach Treu und Glauben nicht berufen kann, wenn den Versicherungsnehmer, was dieser zu beweisen hat, daran kein Verschulden trifft.

Bei dieser Auslegung hält die Klausel auch einer Kontrolle nach den §§305c, 307 BGB (§§3, 9 AGB a. F.) stand. Die Klausel ist nicht überraschend im Sinne des §305c BGB. Der Versicherungsnehmer muss vernünftigerweise damit rechnen, dass der Versicherer den Versicherungsschutz – schon aus Gründen der Kalkulierbarkeit – jedenfalls nicht auf unbegrenzte Zeit für solche Versicherungsfälle erbringen will, die ihm bei Beendigung des Vertrags noch nicht gemeldet worden sind (BGH VersR 1992, 819). Außerdem wird der Versicherungsnehmer durch die Klausel auch nicht unangemessen benachteiligt im Sinne von §307 BGB. Ohne die Klausel könnten spät erkennbare und zweifelhafte Versicherungsfälle nicht wirksam vom Versicherungsschutz ausgeschlossen werden, was sich – durch erhöhte Prämien – nachteilig auf die Gemeinschaft der Versicherten auswirken würde (BGH VersR 1992, 819). Außerdem belässt die Regelung dem Versicherungsnehmer noch einen Zeitraum von 5 Jahren, um durch einfache Meldung Versicherungsschutz für die während der Vertragszeit eingetretenen Versicherungsfälle zu erlangen.

Ein fehlendes Verschulden ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Architekt von möglichen Ansprüchen gegen ihn nichts wusste und ihn auch kein Verschulden hinsichtlich dieser Unkenntnis trifft.

Dass die Ausschlussfrist unverschuldet versäumt wurde, haben die Kläger aber nicht nachgewiesen.

Bei der Frage, ob ein Verschulden des Architekten zur Versäumung der Meldefrist beigetragen hat, ist vorliegend auf die Verletzung der Anzeigeobliegenheit im Sinne von §5 Nr. 2 AHB abzustellen.

Entgegen der Berufung besteht eine Anzeigeobliegenheit nicht nur dann, wenn ein Geschädigter gegenüber dem Versicherungsnehmer einen Anspruch geltend macht (§§5 Nr. 2 Abs. 3 AHB, 153 Abs. 2 VVG). Vielmehr besteht eine Anzeigeobliegenheit auch dann, wenn der Versicherungsnehmer Kenntnis vom Eintritt des Versicherungsfalls hat (§§5 Nr. 2 Abs. 1 AHB, 33 Abs. 1, 153 Abs. 1 VVG). Diese für die Anzeigepflicht vorausgesetzte positive Kenntnis des Versicherungsnehmers bezieht sich auf das Schadensereignis und zusätzlich darauf, dass er weiß oder zumindest damit rechnet, dass dieses Schadensereignis Haftpflichtansprüche Dritter gegen ihn zur Folge haben könnte.

Die Kenntnis des Architekten von dem Schadensfall ergibt sich schon daraus, dass er 1997 und 1998 gegenüber der Firma Metallbau S. Undichtigkeiten in der brandsanierten Glasdachkonstruktion rügte. Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme kann überdies nicht ausgeschlossen werden, dass Architekt M. mit seiner Inanspruchnahme für dieses Schadensereignis rechnete. Ihm lag eine vor Ausführung der Sanierung zugesandte Bedenkenanmeldung der Firma Metallbau S. vom 19.11.1996 vor. Die darin aufgeführten Mängel stehen zum Teil im Zusammenhang mit den aufgetretenen Undichtigkeiten.

Es liegt daher nahe, dass dem Architekten klar war, dass die Undichtigkeiten zumindest auch auf eigene Versäumnisse zurückzuführen sind,
weil den Bedenken der Firma S. bei der Bauplanung und Bauausführung nicht Rechnung getragen wurde. … Der Senat hat aber keine Zweifel, dass die in der Bedenkenanmeldung beschriebenen und jetzt vom Sachverständigen festgestellten Mängel bereits vor der Sanierung vorlagen. Neben der Identität der Mängel spricht hierfür auch der Umstand, dass eine Mängelfeststellung bei einer Überprüfung des Daches im Jahre 1996 durch die Firma S. nach den Angaben des Sachverständigen möglich war. Außerdem kommt es nach den Erkenntnissen des Sachverständigen häufig vor, dass angemeldete Mängel nicht beseitigt werden. Hierfür Sorge zu tragen ist in erster Linie Aufgabe des mit der Sanierung beauftragten Architekten. Dabei ist unerheblich, dass das Ausgangswerk von einer Firma erstellt wurde, die nach dem Vorbringen der Kläger nicht mehr in Anspruch genommen werden kann.

Es kann somit nicht ausgeschlossen werden, dass sich Architekt M. einer eigenen Pflichtverletzung, die zu einem späteren Zeitpunkt auch zu Schadensersatzansprüchen gegen ihn führen konnte, in den Jahren 1996 bis zu seinem Tod bewusst wurde. Damit steht nicht fest, dass die Meldefrist ohne Verschulden versäumt worden ist.

Dahinstehen kann, ob die Bauherrin nach den aufgetretenen Undichtigkeiten gegenüber dem Architekten Haftungsansprüche geltend machte, was ebenfalls eine Anzeigeobliegenheit begründet hätte.

Auch auf das fehlende Verschulden der unmittelbaren Rechtsnachfolgerin des Architekten M., Rechtsanwältin S., kommt es nicht mehr an.

An die Behauptung, das Angebot zur Verlängerung der Nachhaftung sei Rechtsanwältin S. nicht zugegangen, kann ein Beratungsfehler der Beklagten, der zu einem Anspruch auf Deckungsschutz führen könnte, nicht geknüpft werden. Zu einer Verlängerung der Nachhaftung ist die Beklagte nicht verpflichtet. Im Übrigen ist aber auch nicht nachgewiesen, dass das Schreiben der Beklagten vom 24.05.2000 nicht zuging.

Anmerkungen des Autors:

Bemerkenswert an dieser Entscheidung ist, dass der Versicherungsnehmer auch nach Ablauf der Nachmeldefrist Versicherungsschutz erlangen kann, wenn er beweist, dass ihn kein Verschulden an der Fristversäumnis trifft. Dieser Entschuldigungsbeweis wird aber vom Gericht sehr streng geprüft und gehen Zweifel zu Lasten des Versicherungsnehmers. Eine unverzügliche Schadenmeldung an den Versicherer nach Kenntnis vom Versicherungsfall ist daher sehr wichtig, auch wenn eine konkrete Anspruchserhebung noch nicht erfolgt ist.

Es handelt sich um eine deutsche Entscheidung. Es gibt aber kaum Zweifel, dass auch der OGH einen entsprechenden Entschuldigungsbeweis zulassen würde (vgl. OGH-Entscheidungen 7 Ob 22/10a und 7 Ob 201/12b zur Nachmeldefrist in der Rechtsschutzversicherung).