Der fehlerhafte Flächenwidmungsplan

Die behördliche Verwaltung beschränkt sich nicht nur auf den Selbstzweck der Administration, sondern hat auch beratende Aufgaben gegenüber seinen Bürgern. Verfehlt die behördliche Verwaltung diese Aufgabe, kann dies – wie die Rechtsprechung erst kürzlich wieder manifestiert hat – Amtshaftungsansprüche des dadurch geschädigten Bürgers gegen den zuständigen Rechtsträger zur Folge haben.

Ausgangslage des hier angesprochenen Amtshaftungsfalles ist eine im Flächenwidmungsplan vormals als Grünland ausgewiesene Liegenschaft, die über Antrag des vormaligen Liegenschaftseigentümers in Bauland-Wohngebiet umgewidmet worden war; dies obwohl die Liegenschaft in einem Hochwasserabflussgebiet gelegen ist.

Der Umwidmung sind Recherchen der zuständigen Gemeinde, wie insbesondere Anfragen an die Landesverwaltung und Erhebungen in der Gemeindebevölkerung über Erfahrungen mit einer allenfalls bekannten Hochwassergefährdung, vorausgegangen. Auch hat die Gemeinde ein geologisches Gutachten einholen lassen, welches die Bebaubarkeit der Liegenschaft bestätigt hat. Im Zeitraum zwischen der Erarbeitung des neuen Flächenwidmungsplans und der Umwidmung sind auch keine Überflutungen der Liegenschaft eingetreten.

Aus Sicht der Gemeinde haben daher keine Bedenken gegen eine Umwidmung der Liegenschaft von Grünland in Bauland-Wohngebiet bestanden, was sich jedoch als erhebliche Fehleinschätzung der Gemeinde herausgestellt hat, weil die Liegenschaft tatsächlich durchschnittlich alle zwanzig Jahre durch Hochwasser überflutet wird. Das schutzwasserwirtschaftliche Grundsatzkonzept, aus dem die Gemeinde die Hochwassergefährdung der Liegenschaft hätte ableiten können, hatte die Gemeinde nicht berücksichtigt.

Nach der erfolgten Umwidmung hat eine gemeinnützige Bauvereinigung die Liegenschaft erworben. Der Bauvereinigung war bei Erwerb der Liegenschaft nicht bekannt, dass es sich bei dieser Liegenschaft ursprünglich um Grünland gehandelt hat und dass die Liegenschaft tatsächlich in einem Hochwasserabflussgebiet gelegen ist. Andernfalls hätte sie die Liegenschaft nicht erworben. Nach den Planungen der Bauvereinigung sollte auf der Liegenschaft eine Wohnhausanlage mit vier selbständigen Wohnhäusern und 36 Wohnungen entstehen.

Erst im Zuge des Baubewilligungsverfahrens über das von der Bauvereinigung geplante Bauvorhaben wurde diese von der Baubehörde darauf hingewiesen, dass die Bebauung der Liegenschaft – offenbar aufgrund der von der Gemeinde zwischenzeitig erkannten Hochwassergefährdung – auch einer wasserrechtlichen Genehmigung bedarf. Zwischenzeitlich hatte die Gemeinde auch eine Bausperre über die Liegenschaft verhängt, die erst nach Durchführung bestimmter Sicherungsmaßnahmen gegen die Hochwassergefährdung wieder aufgehoben werden sollte.

Die Bauvereinigung hat sich davon jedoch zunächst nicht beirren lassen und ist von ihrem Plan, das Bauvorhaben zu realisieren, zunächst auch nicht abgerückt. Vielmehr hat sie die Hochwassergefährdung bei der Planung berücksichtigt. Über den Antrag der Bauvereinigung auf Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung wurde zunächst auch in erster Instanz behördlich positiv entschieden; diese Bewilligung wurde jedoch über Beschwerden von Anrainern wieder aufgehoben und schließlich auch endgültig versagt, weil sich das Bauvorhaben als wasserrechtlich nicht bewilligungsfähig erwiesen hat. Aus diesem Grund hat die Bauvereinigung auch davon abgesehen, die Abweisung des Antrages auf wasserrechtliche Bewilligung des Bauvorhabens mit (aussichtslosen) Rechtsmitteln zu bekämpfen.

Die Bauvereinigung hat daher von der Realisierung des Bauvorhabens – auch in reduzierter Form – abgesehen, auch wenn nach den Angaben der Gemeinde ein Bauvorhaben mit lediglich drei Wohnhäusern zulässig gewesen wäre. Daran hatte jedoch die Bauvereinigung kein Interesse. Vielmehr hat die Bauvereinigung die Gemeinde auf Schadenersatz insbesondere wegen Verletzung von Prüf- und Sorgfaltspflichten geklagt.

In dem darauf folgenden, in drei Instanzen geführten Rechtsstreit, über den der Oberste Gerichtshof (OGH) letztlich zu entscheiden hatte, wurde eine Amtshaftung der Gemeinde im vorliegenden Fall gerichtlich bestätigt, was sich zusammengefasst wie folgt begründen lässt:

Voraussetzung für das Entstehen eines Amtshaftungsanspruches (hier gegen die Gemeinde) ist, dass Organe des jeweiligen Rechtsträgers (hier der Gemeinde) in Vollziehung der Gesetze den Anspruchsteller (hier die Bauvereinigung) in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt und dadurch geschädigt haben. Der Schaden muss durch ein rechtswidriges Verhalten von Gemeindeorganen verursacht worden sein, wobei diese dem erhöhten Sorgfaltsmaßstab eines Sachverständigen gemäß § 1299 ABGB unterliegen.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass eine Gemeinde im Falle der Umwidmung einer Liegenschaft zu Bauland strengen Prüf- und Sorgfaltspflichten unterliegt, insbesondere weil der Flächenwidmungsplan die zentrale Funktion hat, dem Erwerber einer Liegenschaft Sicherheit im Hinblick auf die Bebaubarkeit und den Wert der Liegenschaft zu verschaffen. Der Erwerber einer Liegenschaft muss daher darauf vertrauen können, dass die Liegenschaft entsprechend den Angaben im Flächenwidmungsplan bebaubar ist.

Ist Organen der Gemeinde nun die Hochwassergefährdung einer Liegenschaft bekannt – wie vom OGH im vorliegenden Fall unterstellt wurde – oder hätte die Hochwassergefährdung aufgrund der Umstände oder bei Entsprechung der auferlegten Prüf- und Sorgfaltspflichten bekannt sein müssen, hat die Gemeinde dies in der Flächenwidmung zu berücksichtigen und die Baulandwidmung entweder zu unterlassen oder nur mit adäquaten im Flächenwidmungsplan ersichtlichen Nutzungsbeschränkungen zu verknüpfen.

Im Falle einer fehlerhaften Baulandwidmung kann die Gemeinde daher eine weitreichende Haftung für die dadurch schuldhaft verursachten Schäden eines Erwerbers oder Eigentümers einer Liegenschaft treffen. Dies gilt umso mehr, wenn die Gemeinde zudem in Kenntnis der Hochwassergefährdung den Erwerber einer Liegenschaft nicht im Rahmen eines Behördenkontaktes (z.B. im Zuge des Baubewilligungsverfahrens und dergleichen) auf diesen die Bebaubarkeit und den Wert der Liegenschaft beschränkenden Umstand hinweist.

Beachtlich ist in diesem Zusammenhang auch, dass einem durch Behördenverhalten Geschädigten nur Schadenersatz gebührt, wenn er erfolglos alle – nicht völlig aussichtslosen – Rechtsmittel ausgeschöpft hat (sogenannte Rettungspflicht). Nach Ansicht des OGH hat die Bauvereinigung im vorliegenden Fall ihre Rettungspflicht nicht verletzt, weil ein Rechtsmittel gegen einen Bescheid der Wasserrechtsbehörde die Hochwassergefährdung der Liegenschaft nicht verhindert hätte und die Liegenschaft selbst bei erfolgreicher Anfechtung des wasserrechtlichen Bescheides aufgrund der Bausperre nicht bebaut hätte werden können.

Für die Praxis ist es daher empfehlenswert, vor Erwerb einer Liegenschaft in den Flächenwidmungsplan Einsicht zu nehmen und angesichts der strengen Rechtsprechung zur Amtshaftung in Belangen der Flächenwidmung auch die Beratung der zuständigen Behörde über die Historie der Widmung (z.B. Umwidmung von Grünland in Bauland) sowie allfällige sonstige Umstände einzufordern, welche die Bebaubarkeit und den Wert der Liegenschaft beeinflussen oder beeinträchtigen könnten.

Matthias Nödl