Eigentlich möchte es ein Bieter dem Auftraggeber besonders recht machen und bietet mehr Auswahl als er müsste. Dafür wird er auch noch ausgeschieden. Zu Recht? Bei diesem sehr umstrittenen Thema zeichnen sich Lösungen ab.
Darf ich als Bieter mehrere Hauptangebote abgeben?
Um die eigenen Möglichkeiten in einem Vergabeverfahren optimal nutzen zu können, müssen Bieter wissen, wann sie welche Arten von Angebote abgeben dürfen. Den meistern Bietern ist der Unterschied zwischen Hauptangeboten (voll ausschreibungskonform), Alternativangeboten (alternativer Leistungsvorschlag in technischer, rechtlicher oder wirtschaftlicher Sicht, aber vergleichbar) und Abänderungsangeboten (lediglich geringfügige technische, jedoch gleichwertige Änderung zu einem Teil der Gesamtleistung) geläufig. Während aber das Gesetz in den §§ 81 und 82 bzw 238 und 239 BVergG verhältnismäßig detailliert regelt, wann Alternativ- und/oder Abänderungsangebote zulässig sind, wie sie auszuarbeiten sind usw, schweigt es zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Bieter mehrere solcher Angebote und mehrere Hauptangebote abgeben darf. Im Jahr 2007 sorgten einander widersprechende Entscheidungen für große Aufmerksamkeit zu dieser Frage. Eine dieser Entscheidungen hat der VwGH jetzt bestätigt. Es zeichnet sich eine Lösung ab. Trotzdem sindEigentlich möchte es ein Bieter dem Auftraggeber besonders recht machen und bietet mehr Auswahl als er müsste. Dafür wird er auch noch ausgeschieden. Zu Recht? Bei diesem sehr umstrittenen Thema zeichnen sich Lösungen ab. noch lange nicht alle Fragen geklärt.
Der erste Schritt zur Beurteilung der Frage, ob mehrere Angebote einer bestimmten Kategorie zulässig sind, ist immer der Blick in die Ausschreibungsunterlage. Grundsätzlich hat der Auftraggeber („AG“) hat weitgehende Freiheiten bei seinen Festlegungen. Festlegungen zur Zulässigkeit von Alternativ-, Abänderungs- oder mehreren Angeboten werden in der Praxis auch selten angefochten und werden damit bestandsfest.
Eines wenigstens kann mit Sicherheit gesagt werden: Legt der AG nichts dazu fest, erlaubt das Vergaberecht (zumindest beim Bestbieterprinzip), dass ein Bieter mehrere unterschiedliche Leistungen anbietet, solange sie jeweils ausschreibungskonform sind. Das bedeutet nichts anderes, als dass mehrere Hauptangebote eines Bieters zulässig sind. Das wurde zuletzt auch durch den VwGH bestätigt. Auch in Deutschland wird die Legung mehrerer in technischer Hinsicht unterschiedlicher Hauptangebote durch einen Bieter in der jüngeren Rechtsprechung als zulässig angesehen.
Was ist noch erlaubt?
Zulässig ist übrigens auch, mehrere Subunternehmer für dieselbe Leistung vorzuschlagen (§ 108 Abs 1 Z 2 BVergG). Ein für den Nachweis der Eignung nicht erforderlicher Subunternehmer darf nach der Judikatur vor der Zuschlagsentscheidung sogar ausgetauscht werden. Soweit der AG noch Gelegenheit hat, den ausgetauschten Subunternehmer vor der Zuschlagsentscheidung zu prüfen, spricht nichts gegen diese Judikatur.
Mittlerweile ist weiters unbestritten, dass ein Bieter mehrere verschiedene Produkte in Bieterlücken eingeben darf. In beiden Fällen – Subunternehmer wie Produkte – trägt der Bieter dafür das Risiko, dass alle die Anforderungen der Ausschreibung erfüllen.
Die Grenze der Zulässigkeit mehrere Hauptangebote ist immer die Ausschreibung, vor allem die Leistungsbeschreibung. Überschreitet ein Angebot diese Grenze, kann es sich dabei nicht mehr um ein Hauptangebot handeln, sondern nur mehr um ein Abänderungs- oder Alternativangebot (je nachdem wie grob und/oder zahlreich die Abweichungen sind). Sind Alternativ- und/oder Abänderungsangebote aber nicht zugelassen bzw ausgeschlossen, dann muss ein Angebot, welches die eben genannte Grenze der Ausschreibung überschreitet, ausgeschieden werden.
Wie üblich kommt es bei der Einstufung als Haupt-, Abänderungs- oder Alternativangebot nicht auf die Bezeichnung des Angebotes an, sondern auf dessen Inhalt. Im Zweifel muss der AG den Bieter zur Aufklärung auffordern.
Erfüllt ein Angebot eines Bieters zwar alle Muss-Kriterien, die Soll-Kriterien aber nur teilweise, dann kann der Bieter – zB wegen der Verwendung anderer technischer Komponenten – auch ein weiteres Angebot legen, dass alle Muss- und alle Soll-Kriterien erfüllt. In diesem Fall wären beide Angebote zulässige Hauptangebote.
Vorsicht beim Billigstbieterprinzip
Vorsicht ist allerdings geboten, wenn ein Bieter mehrere Hauptangebote in einem Vergabeverfahren legen will, bei dem der Zuschlag nicht nach dem Bestbieterprinzip sondern nach dem Billigstbieterprinzip erteilt wird. In der juristischen Literatur und zwischen den Senaten des BVA ist man uneinig, ob auch beim Billigstbieterprinzip mehrere Hauptangebote gelegt werden dürfen. Die Befürworter verweisen darauf, dass das BVergG dafür keinen Ausscheidensgrund regelt, weshalb ein Ausscheiden ohne gesetzlichen Grund vergaberechtswidrig wäre. Außerdem zählt die Ausschreibungsunterlage: Ein Angebot, welches ihr voll entspricht, kann nicht vergaberechtswidrig sein.
Die Befürworter dieser Unterscheidung verweisen darauf, dass ein solch ungewöhnliches Vorgehen eines Bieters nicht anders erklärt werden könne, als mit einer massiven Missbrauchsabsicht des betreffenden Bieters. Der Missbrauch bestehe darin, dass ein Bieter, der inhaltlich völlig gleiche Angebote mit unterschiedlichen Preisen lege, das billigere davon zurückziehen könne, sobald er bei der Angebotsöffnung die Preise der Konkurrenz kennen lerne.
Dieses Argument kann wenn überhaupt nur im offenen und nicht-offenen Verfahren gelten, wo es eine Angebotsöffnung gibt. Außerdem kann sich der AG durch Festsetzung eines Vadiums vor genau diesem Problem schützen. Schließlich greift dieses Argument nur, wenn die beiden Angebote des Bieters völlig gleich sind aber trotzdem unterschiedliche Preise aufweisen. Das ist ein Spezialfall, der wirtschaftlich wirklich keinen Sinn macht. Folglich müssten alle Hauptangebote eines Bieters, die nicht inhaltlich gleich sind, zulässig sein sollen. Vor allem aber ist nicht verständlich, warum mehrere Hauptangebote unzulässig sein soll, obwohl das BVergG an keiner Stelle eine Unzulässigkeit vorsieht. Etwas so gravierendes wie ein Ausscheidensgrund, ist nicht frei erfindbar. Da die Diskussion aber sehr heftig geführt wird und die Befürworter der Unterscheidung alle Verfahren nach dem Billigstbieterprinzip einbeziehen wollen, ist es viel riskanter, mehrere Hauptangebote zu legen, als ein einziges Hauptangebot, bei dem nicht sicher ist, ob es ausschreibungskonform ist.
Deshalb Empfehlung für Bieter: Finger weg.
Abgesehen von der rechtlichen Einstufung (Unzulässigkeit führt zum Ausscheiden), ist die Frage nach der Sinnhaftigkeit zweier Hauptangebote bei Billigstbieterprinzip jedenfalls zu stellen. Warum sollte ein Bieter zwei Angebote mit unterschiedlichen Leistungen legen, wenn für den Zuschlag doch nur der niedrigste Preis zählt? Sinnvoll wäre beim Billigstbieterprinzip eine Kombination zweier Hauptangebote mit unterschiedlichem Inhalt aber gleichem Preis. Das kann auch der Fall sein, wenn ein Bieter nicht sicher ist, ob eine bestimmte Leistung zulässig ist und er deshalb auch eine zweite Leistung anbietet. In diesem Fall wäre jedoch die vorherige Abklärung mit dem AG im Wege einer Bieterfrage die empfehlenswertere Wahl weil weniger riskant und weniger aufwändig.
Darf ein AG mehrere Hauptangebote in den Ausschreibungsunterlagen ausschließen?
Da es also grundsätzlich (und zumindest beim Bestbieterprinzip) zulässig ist mehrere Hauptangebote abzugeben, dabei aber stets auf die Ausschreibung verwiesen wird, ist die brennendste Frage, ob der AG mehrere Hauptangebote überhaupt ausschließen darf. Wenn nein, braucht nicht immer in die Ausschreibung geblickt zu werden.
Dazu schweigt das BVergG und auch die Rechtsprechung. Deshalb ist davon auszugehen, dass dem AG nur durch die allgemeinen Grundsätze des Vergaberechts Grenzen gesteckt sind. Solange Gründe der Nichtdiskriminierung sowie der Transparenz und das allgemeine Sachlichkeitsgebot nicht dagegen sprechen, wird es wohl zulässig sein, die Abgabe mehrerer Hauptangebote in den Ausschreibungsunterlagen auszuschließen. Ein sachlicher und nicht-diskriminierender Grund ist durchaus denkbar.
Darf der AG beim Billigstbieterprinzip mehrere Hauptangebote ausdrücklich zulassen?
Wenn man außer Acht lässt, ob es überhaupt viele Fälle gibt, in denen das für den AG Vorteile bringt, gilt wieder, was schon für das Verbot gilt: Solange Gründe der Nichtdiskriminierung sowie der Transparenz und das allgemeine Sachlichkeitsgebot nicht dagegen sprechen, wird es wohl zulässig sein.
Darf ein Bieter mehrere Alternativangebote legen?
Endlich wieder ein Punkt, der eindeutig beantwortet werden kann, nämlich mit ja. Wenn Alternativangebote zulässig sind, geht die einhellige Meinung davon aus, dass mehrere gelegt werden dürfen. Allerdings kann der AG auf andere Weise Einfluss nehmen. Der AG kann einzelne Typen von Alternativangeboten (technische, rechtliche, wirtschaftliche) ohne Begründung ausschließen. Wenn der AG Alternativangebote zulässt, muss er auch Kriterien für die Prüfung ihrer Gleichwertigkeit angeben. Hier hat er aber wenig Spielraum und die Judikatur zusehends strengere Judikatur schränkt den ohnehin kleinen Spielraum weiter ein. Deshalb gehen AGs dazu über, Alternativangebote gar nicht mehr zuzulassen.
Darf der AG also in der Ausschreibungsunterlage festlegen, dass pro Bieter nur ein Alternativangebot gelegt werden darf? Dafür spricht, dass es bei Hauptangeboten ja auch so ist. Dagegen spricht, dass das BVergG anders als zu Hauptangeboten klar zu sagen scheint, was zulässig ist (und was nicht): das Verbieten einzelner Typen von Alternativen. Im Ergebnis wird wohl wie bei Hauptangeboten davon auszugehen sein, dass im konkreten Fall die allgemeinen Grundsätze des Vergaberechts die entscheidende Grenze abstecken.