Die unsichtbare Gefahr

Familie K. aus Wien wollte nach einer anstrengenden Arbeitswoche raus aus der Stadt und ein entspannendes Wochenende in ihrem malerischen Mietshaus am Land verbringen. Ein mehrtägiger Spitalsaufenthalt der gesamten Familie war letztlich die Folge – eines wenige Minuten dauernden Aufenthaltes im Haus. Was war geschehen?

© Martin Kozcy

Im Wochenendhaus der Familie K. war in der Woche zuvor ein feuchter Fleck an der Wand aufgetreten, der sich zunehmend ausgebreitet hatte. Der Gebrechen-Notdienst musste also so rasch wie möglich her. Die Ursache war schnell gefunden: „Rohrbruch! Da muss gestemmt werden!“ Gesagt – getan. Das Mauerwerk wurde aufgestemmt und der Rohrbruch vom Installateur behoben.

Das defekte Rohr war direkt in die Kaminwand eingestemmt. Bei Freilegung des defekten Rohres wurde daher auch der Kaminfang angestemmt. Dem Installateur war dies bekannt; aber er war ja schließlich nur mit der Abdichtung des Rohrs und nicht mit der Herstellung des Kamins beauftragt. Nach getaner Arbeit lässt er den Kamin offen zurück. Ein Gefahrenhinweis an Familie K. unterbleibt.

Familie K. informierte den Vermieter des Hauses über den Schaden. Der Vermieter meldete den Schaden der Gebäudeversicherung, die aber nur über den Wasserschaden, nicht über den offenen Kamin informiert wurde. Ein Sachverständiger der Versicherung sollte den Wasserschaden noch begutachten. Um die Schließung des Kamins hat sich niemand gekümmert.

Familie K. war nicht bekannt, dass auch der Kamin angestemmt ist. Die ersten kühlen Oktobertage machten es allzu verständlich, dass Familie K. die Heizung – eine Gasbrennwertanlage – aufdrehte. Dass die daraus austretenden Gase (vor allem Kohlenmonoxid) über den Kamin und letztlich über das Loch im Kamin direkt in die Wohnräume des Hauses abgeleitet würden, war Familie K. nicht bewusst.

Die gesamte Familie K. war sohin nach wenigen Minuten des Aufenthalts im Haus lebensbedrohlich mit Kohlenmonoxid kontaminiert. Zum Glück hatte Familie K. sehr rasch nach den ersten Anzeichen der körperlichen Beeinträchtigung den Notarzt gerufen, sodass dieser Vorfall keinen tödlichen Ausgang genommen hat. Ein mehrtägiger Spitalsaufenthalt war dennoch unabwendbar.

Die Verantwortung dafür trägt in erster Linie der Installateur, der als Auftragnehmer von Familie K. verpflichtet gewesen wäre, zumindest vor dem Leck am Kamin und den damit allenfalls verbundenen Folgen zu warnen. Der Installateur hätte Familie K. jedenfalls darauf hinweisen müssen, dass die Heizungsanlage nicht in Betrieb genommen werden darf, solange dieses Leck nicht geschlossen ist.

Auch eine Haftung jener Professionisten, welche die Leitungsführung bauordnungswidrig im Kaminmauerwerk geplant, ausgeführt oder freigegeben haben, ist – natürlich abhängig vom Zeitpunkt der Errichtung des Hauses bzw. der Installationen – denkbar. Diese Haftung bestünde allerdings nur zugunsten des Vermieters, der  Familie K. wiederum für einen brauchbaren Zustand des Hauses Gewähr zu leisten hat und Familie K. gegenüber haftet.

Eine Rauchgasvergiftung ist eine schwerwiegende Körperverletzung, die gerade im Falle des Installateurs auch strafrechtliche Folgen haben kann. Jedenfalls berechtigt diese Familie K. zu Schmerzensgeldansprüchen samt Ansprüchen auf Ersatz allfälliger Behandlungskosten. Das Haus ist für die Dauer der Kontaminierung natürlich nicht oder nur bedingt benützbar. Mietzinsminderungsansprüche gegenüber dem Vermieter stehen im Raum. Regelmäßig ist der Austritt von Rauchgasen auch mit einer gravierenden Feuchtigkeitsentwicklung im Haus verbunden, weil die Gase in einem Luft-Wasser-Gemisch austreten. Das Inventar (insbesondere Holzmöbel, Türen, Zargen, Bodenbelag etc.) kann dadurch Schaden nehmen.

Schadenersatzansprüche können sich diesfalls zum Sargnagel für den einen oder anderen Professionisten auswachsen – sofern nicht eine Haftpflichtversicherung für den Schaden gerade steht – und dies nur deswegen, weil man verabsäumt hat, wenige Minuten in die Warnung und Aufklärung der Auftragnehmer zu investieren. In einer solchen Situation ist daher zu empfehlen, nicht die Augen vor den potentiellen Gefahren – nach dem Prinzip „Es wird schon nix passieren“ – zu verschließen, sondern lieber einmal mehr bzw. einmal zuviel zu warnen.

Tipps aus der Praxis

  • laufende Überprüfung der haustechnischen Anlagen (Steigstränge, Abflussleitungen, etc.) hilft Problembereiche früher zu erkennen und Notsituationen zu verhindern;
  • Abschluss von Wartungsverträgen mit Fachfirmen – die Firma des Vertrauens kennt die Anlagen besser als ein Notdienst;
  • Erstellung eines Wartungsplanes;
  • bei Erweiterung der Anlagen immer das gesamte System überprüfen – durch den nachträglichen Einbau von z.B. zusätzlichen Bädern werden alte Steigstränge weit über die Belastungs- und Leistungsgrenze gefordert. 
Matthias Nödl