Zubauten am Eigenheim, die Errichtung eines Schwimmbades am Dach oder die Erhöhung einer Mauer, etc.! Überall wo man an bereits bestehenden Objekten seine langersehnten Träume nun endlich in die Tat umsetzen will, wird man mit einem einfachen Wort sehr schnell auf den Boden der Realität zurückgeholt: Statik.
Es ist das Erste und gelegentlich (wie im Anlassfall) das Letzte, das einem im Zuge solcher „Verfeinerungen“ begleiten wird. Demnach ist die Bestellung einer geeigneten Person oder Firma, welche mit diesem brisanten Thema betraut wird, und in weiterer Folge auch die Bauaufsicht übernimmt, von essentieller Bedeutung.
Im vorliegenden Fall nimmt sich der OGH (7Ob108/14d) dieses „Problems“ an, wenn aufgrund mangelnder Rücksprache und zahlreicher Fehler, sei es ausführungs- oder planungstechnischer Natur, aller Beteiligten am Bau einer Steinschlichtungsmauer scheinbar alles falsch läuft und später bei der Erhöhung eben dieser die geforderte Standfestigkeit nicht mehr gegeben war und diese schlussendlich abgetragen und erneuert werden musste.
Konkret beauftragte die Bauherrin zur Errichtung einer Steinschlichtungsmauer ein Planungsbüro (Klägerin), welches unter Rücksprache mit einem Statikunternehmen, die genauen Daten zum Bau (Höhe, Breite, Stabilität bezogen auf horizontal wirkende Kräfte) errechnete. Nach Angabe des Statikers waren die Steine zwischen 800 bis 2.000 kg „trocken in Humus“ zu verlegen und zwar inklusive Drainagierung im Sohlenbereich und kompletter Hinterfüllung zur Ableitung des Hangwassers. Als maximale Höhe waren vier Meter (drei Meter über Terrain) bei mindestens 170 cm Breite des Mauerfußes und 120 cm der Mauerkrone vorgesehen. Diese Ausschreibungsposition beinhaltete technische Mängel wegen fehlender Auseinandersetzung der Klägerin mit den technischen Grundlagen oder Rücksprache mit dem Statiker. Die Ausführung „trocken Humus verlegt“ widerspricht den Regeln der Technik, weil ab einer gewissen Höhe die Schlichtung zur Gewährleistung der Statik vollflächig, zumindest aber in Teilbereichen zu vermörteln gewesen wäre.
Schon beim Bau der Mauer durch einen Subunternehmer wurde die Neigung, widrig den Angaben, zu gering bemessen, der untere Bereich wurde nicht mit gemörtelten Fugen hergestellt und der Verbund der Steine war mangelhaft ausgeführt, weil die Stoßfugen der Steine bis zu vier Reihen übereinander angeordnet waren. Weiters war die Fugenfüllung weder sach- noch fachgerecht. Es konnte im Verfahren nicht festgestellt werden, ob die vertikale Ausbuchtung, welche sich schon während der Herstellung bildete, durch diese Mängel entstand, rein optischer und technischer Natur war oder ob es zu einem nachhaltigen Einfluss auf die Standhaftigkeit der Mauer gekommen sei. Allein, die Mauer wäre aufgrund der mangelhaften Fugenfüllung abzutragen gewesen.
Dem Geschäftsführer der Klägerin fiel bei der Abnahme lediglich der „Bauch“ in dem Mauerwerk auf, den er als rein optischen Mangel qualifizierte, dadurch stellte er der ausführenden Firma keine Forderung zur Mängelbehebung. Es wurde in diesem Zusammenhang angenommen, dass es dem Geschäftsführer und der Klägerin selbst an mangelndem Fachbezug und fachlicher Qualifikation fehlte, weshalb man die restlichen Fehler überhaupt nicht erkannte.
Etwas später wünschte die Bauherrin die Erhöhung der Mauer, wobei die obersten Steine in Beton verlegt werden sollten, um die nötige Stabilität zu gewährleisten. Voraussetzung für eine Erhöhung war, die bereits vorhandene Fundamentierung entsprechend zu verstärken; da sich durch den Ausbau die Statik dementsprechend veränderte, wäre ein Sachverständiger beizuziehen gewesen. Diese Anforderung, wie auch einen zu diesem Thema bezugnehmenden Teilplan zu erstellen, erfüllte die Klägerin nicht. Sie ging vielmehr davon aus, dass die Baufirma einen Statiker hinzuzieht, überprüfte dies jedoch nicht. Dem war damit noch nicht Genüge getan, holte sie nicht einmal eine Baubewilligung ein, da diese im Rahmen einer „Auswechslungsplanung“ angedacht war nachzuholen. Die Baubehörde hätte wohl darauf bestanden, einen Statiker hinzuzuziehen, als Auflage dafür die Bewilligung zu erteilen.
Nachdem die Baufirma die ohnedies baufällige Mauer auf 4,6 Meter erhöht hatte, forderte diese nun einen Statiker auf, das „Bauwerk“ zu überprüfen. Daraufhin fertigte dieser eine Skizze, welche die Standfestigkeit der Mauererhöhung erfasste, die Standsicherheit des gesamten Objekts allerdings nicht. Danach besichtigte der Geschäftsführer der Klägerin im Rahmen der förmlichen Endabnahme die Mauer – weitere Beanstandungen blieben aus, woraufhin die Klägerin die Rechnung der Baufirma zur Bezahlung durch die Bauherrin freigab.
Durch erhebliche Bedenken veranlasst, beauftragte die Eigentümergemeinschaft ihrerseits nach kurzer Zeit einen Sachverständigen, der ein vernichtendes Zeugnis ausstellte: Er beurteilte nicht nur die Mauer als nicht standsicher, sondern ging sogar von „Gefahr in Verzug“ aus. Dies bestätigte die baupolizeiliche Prüfung unter Beiziehung von Amtssachverständigen. Der Bauherrin wurde sohin aufgetragen, binnen vier Monaten die Standsicherheit wiederherzustellen. Dem wurde Folge geleistet, die Baufirma trug die Mauer ab und errichtete eine Neue. Durch diese Arbeiten entstanden der Bauherrin Kosten von 56.765,05 €. Diese forderte nun von der Klägerin diesen Betrag zuzüglich 5.000 € Schadenersatzpauschale ein, da gravierende Planungsfehler (keine statische Berechnung, keine Standfestigkeit) seitens der Klägerin begangen worden wären.
Für die 61.765,05 € begehrte die Klägerin nun von der Beklagten, ihr aus dem bestehenden Haftpflichtversicherungsvertrag in Ansehung der ihr gegenüber geltend gemachten Schadenersatzforderung Deckung zu gewähren mit der Begründung, dass die Erhöhung um 1,6 m nur durch ausdrücklichen Wunsch der Bauherrin erfolgt sei und diese für die Baubehörde „unerhebliche Änderung“ habe sie entsprechend wie in der „üblichen Praxis“ mittels Auswechslungsplanung bekannt gegeben und so deren Bewilligung erwirkt.
Sie sei mit der statisch konstruktiven Ausarbeitung nicht betraut gewesen und offenkundige Mängel, mit Ausnahme des kleinen „Bauches“, der als rein optisch anzusehen gewesen wäre, hätten nicht vorgelegen. Das Fehlen einer Mörtelschicht habe die Klägerin nicht bemerkt und somit weder vorsätzlich noch fahrlässig einen Schaden erwirkt und auch nicht gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen.
Die beklagte Versicherung forderte die Abweisung der Klage und entgegnete, die Klägerin habe bewusst die behördliche Genehmigung oder statische Nachrechnung nicht eingeholt, da bei diesem Verfahren ohne Zweifel die Wahrheit ans Tageslicht befördert worden wäre: die Mauer war nie standsicher. Die Klägerin hätte sofort erkennen müssen, dass die Steine ohne Mörtel einfach nur übereinander gelegt wurden und sich so ein „Bauch“ bildete; Ihr hätte die mangelhafte Standsicherheit unverzüglich ins Auge stechen müssen. Schon deshalb sei die Beklagte nach Art. 6.1.1. und 6.1.2. AHBA leistungsfrei, weil der Klägerin die Standsicherheit der Mauer trotz Überschreitung der genehmigten Höhe offensichtlich gleichgültig gewesen sei. Sie habe in vollem Bewusstsein der Bauherrin eine mangelhafte Steinmauer übergeben und die Rechnung in Kenntnis dieser Umstände freigegeben und die Bauherrin auch nicht darauf aufmerksam gemacht, wonach sie ihre Rettungsobliegenheit gemäß §62 VersVG grob fahrlässig verletzt habe.
Nach „Triumph und Niederlage“ von klagender und beklagter Partei bei Erst- und Berufungsgericht gab der OGH der Klägerin in der „finalen“ Entscheidung Recht. Er stellte das Urteil des Erstgerichts wieder her, welches seine Sicht der Sache so begründete, die Klägerin habe durch die von ihr gesetzten Taten grob fahrlässig gehandelt. Dies schließe aber eine Leistungsfreiheit der Haftpflichtversicherung keineswegs aus. Diese trete nur ein, wenn der Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt würde und kumulativ dazu ein bewusster Verstoß gegen die für den versicherten Betrieb geltenden Gesetze oder Vorschriften vorläge. Den stichhaltigen Beweis für diesen bewussten Verstoß konnte die Beklagte nicht erbringen.
Die Erwägungen der Beklagten Partei hinsichtlich § 62 VersVG stünden auf tönernen Füßen, da der Klägerin bei Eintritt des Versicherungsfalles keine Maßnahmen zur Rettung mehr möglich gewesen wären.
Zum Ausschluss des Vorsatzes schreibt der OGH, dass Art. 6.1.1. AHBA einen bedingten Vorsatz umschreibt, in welchem davon die Rede ist, dass der Versicherungsnehmer die Wahrscheinlichkeit schädlicher Folgen voraussehen musste, diese jedoch (billigend) in Kauf nimmt. Es reicht nicht aus, dass er um die schädlichen Folgen hätte wissen müssen oder können oder mit ihnen hätte rechnen müssen oder können. Dem Geschäftsführer der Klägerin seien zwar mehrfache Verletzungen seiner vertraglichen Verpflichtungen vorzuwerfen, die auf seine festgestellte mangelnde Eignung zurückzuführen seien. Dass er iSd Art. 6.1.1. AHBA vorsätzlich gehandelt habe, vermochte die Beklagte Partei dennoch nicht zu beweisen.
So bleibt am Schluss die Frage: „Ignorantia legis excusat?“