Gerade bei der Erschließung von urbanen Bauflächen boomt gegenwärtig das Baurecht, weil es sowohl dem Grundeigentümer als auch dem Bauberechtigten Anreize bietet, miteinander ins Geschäft zu kommen. Nach der Wiener Bauordnung ist anhand eines Baurechts sogar der Überbau von Liegenschaftsgrenzen möglich. Doch zieht hier auch die österreichische Grundbuchspraxis mit?
In den letzten Jahren war gerade in Ballungszentren eine kontinuierliche, teils exorbitante Steigerung der Grundstückspreise zu beobachten. Entsprechend knapp ist hier auch Bauland. Die innovative und flexible Erschließung von Bauflächen ist in Ballungszentren daher sowohl bei der Schaffung von leistbarem Wohnraum, als auch bei der hohen Nachfrage nach modernen Logistik- und Gewerbeimmobilien ein großes Thema.
So kommt aktuell im Hinblick auf die Baulandmobilisierung für Wohn-, Logistik- und Gewerbeimmobilen auch dem Baurecht eine besondere Bedeutung zu. Die Grundlage des Baurechts ist das Baurechtsgesetz (BauRG), das durch die BauRG-Novelle 1990 maßgeblich modifiziert und in seinem Anwendungsbereich erweitert worden ist. Insbesondere ist es seither jedem Grundeigentümer möglich, ein Baurecht an seiner Immobilie einzuräumen.
Das Baurecht ist ein dingliches Recht sui generis und gilt als unbewegliche Sache. Es besteht gemäß § 1 BauRG in dem dinglichen, veräußerlichen und vererblichen Recht, auf oder unter der Bodenfläche eines fremden Grundstücks ein Bauwerk zu errichten und zu haben. Die Laufzeit des Baurechts beträgt mindestens zehn und höchstens 100 Jahre.
Ein Baurecht ist seiner Natur nach ein dingliches Recht und entsteht als solches erst mit der Eintragung ins Grundbuch. Das Baurecht wird beim Grundstückseigentümer im sogenannten Lastenblatt, also im C-Blatt der damit belasteten Liegenschaft, der Stammliegenschaft, als Last eingetragen. Gleichzeitig ist für das Baurecht eine eigene besondere Grundbuchseinlage, die Baurechtseinlage, zu eröffnen. In dieser wird sodann der Bauberechtigte im sogenannten B-Blatt als Eigentümer des Baurechts eingetragen. In weiterer Folge werden in der Baurechtseinlage sämtliche Eintragungen für und gegen den Bauberechtigten vorgenommen.
Sohin hat das Baurecht die Vorteile, dass einerseits der Grundeigentümer bei der Bestellung eines Baurechts nicht nur sein Eigentum am Grundstück behält und einen Baurechtszins sowie etwaige künftige Wertsteigerungen der Liegenschaft lukriert, andererseits der Bauberechtigte, der Eigentum am Bauwerk erwirbt, nicht den Kaufpreis für das Grundstück aufbringen muss, sondern lediglich einen Baurechtszins zu zahlen hat.
Doch was ist rechtlich zulässig, wenn nun ein für die geplante Bebauung optimales Areal gefunden ist, welches sich aus mehreren Liegenschaften zusammensetzt und sich auch das zu errichtende Gebäude über mehrere dieser Liegenschaften erstrecken soll?
Für die Beantwortung dieser Frage ist für das Bundesland Wien zunächst § 16 Abs 2 der Wiener Bauordnung zu beachten. Demnach darf ein Bauplatz grundsätzlich nicht zwei oder mehrere Grundbuchskörper, sohin Liegenschaften, umfassen. Die Wiener Bauordnung macht von diesem Grundsatz jedoch eine wesentliche Ausnahme: Wenn die Bebauung im Zusammenhang mit einem Baurecht erfolgt, darf ein Gebäude auch mehrere Liegenschaften umfassen. Demnach wäre es somit denkbar, dass mit Hilfe eines Baurechts, das sich über mehrere Liegenschaften erstreckt (sogenanntes „Gesamtbaurecht“), auch ein Gebäude errichtet wird, das sich über mehrere Liegenschaften – und damit auch über Liegenschaftsgrenzen – erstreckt.
In der österreichischen Grundbuchpraxis ist jedoch strittig, ob ein solches Gesamtbaurecht an mehreren Liegenschaften, vielleicht sogar mit verschiedenen Liegenschaftseigentümern bestehen bzw begründet werden kann; dies insbesondere zumal sich weder das österreichische BauRG noch die österreichische Judikatur mit dieser Thematik bisher befasst haben. Auch die österreichische Literatur steht dem Gesamtbaurecht gespalten gegenüber.
Nach dem BauRG kann ein Baurecht nicht lediglich an einem Teil eines Grundbuchskörpers begründet werden, sondern muss sich dieses vielmehr auf die gesamte Stammliegenschaft beziehen. Es ist daher nach dem BauRG z.B. nicht wirksam möglich, an einer Liegenschaft, die aus zwei Grundstücken besteht, zwei Baurechte (jeweils ein Baurecht an einem Grundstück) einzuräumen und zu begründen. Ebenso ist die Beschränkung des Baurechtes auf einen Teil eines Gebäudes unzulässig.
Daraus leiten Teile der Lehre Argumente für die Ablehnung des Gesamtbaurechts ab, und zwar selbst im Falle der Identität der Liegenschaftseigentümer; dies insbesondere mit der Begründung, dass im Falle eines Gesamtbaurechtes eine der mit dem Baurecht belasteten Liegenschaften jederzeit veräußert werden könnte, was zu einem gesetzwidrigen Zustand führen würde, zumal die Grundstücksgrenzen dann mitten durch das Baurechtsgebäude verlaufen und die einzelnen entstandenen selbständigen Baurechte sich nunmehr jeweils auf einen Teil des Gebäudes beziehen würden. Darüber hinaus würde jedenfalls nach dem Ende des Baurechts ein Grenzüberbau mit allen seinen negativen Folgen entstehen.
Gegenteilige Meinungen vertreten hingegen die Auffassung, dass eine originäre Begründung eines Baurechtes an mehreren Grundstücken verschiedener Grundbuchskörper zulässig sei, weil auch ein nachträglich entstandenes Gesamtbaurecht, beispielsweise auf Grund der Teilung eines Baurechtsgrundstücks oder der Abschreibung eines mit einem Baurecht belasteten Grundstücks gemäß § 847 ABGB keine Auswirkungen auf Bestand und Umfang des Baurechts habe.
Das Baurecht bestehe in einem solchen Falle nicht an einem Teil eines Grundbuchskörpers, sondern erstrecke sich auf zwei oder mehrere Stammliegenschaften. Zudem sei das Baurecht auch nicht auf einen Teil eines Bauwerks beschränkt, da durch die Teilung nicht mehrere Baurechte entstehen, sondern ein und dasselbe Baurecht bestehen bleibe, welches sich inhaltsgleich auf mehrere Liegenschaften erweitere. Voraussetzung der Zulässigkeit sei jedenfalls, dass die Grundbuchskörper nebeneinander liegen, weil die mit dem Gesamtbaurecht belasteten Grundstücke für das Bauwerk erforderlich oder zumindest für dessen Benützung vorteilhaft sein müssten. Des Weiteren müsste ein einheitlicher Baurechtsvertrag errichtet werden, in welchem insbesondere die Baurechtsdauer, der Bauzins und die Aufteilung des Bauzinses unter den Baurechtsbestellern einheitlich geregelt werden.
Nichtsdestotrotz herrscht auch zwischen den Befürwortern der Zulässigkeit eines Gesamtbaurechts Uneinigkeit darüber, ob die Bauwerkserrichtung über die Grundstücksgrenzen hinweg zulässig ist; dies insbesondere weil die Rechtsfolgen für das Bauwerk bei Erlöschen des Gesamtbaurechts unklar sind.
Fakt ist, dass das Gesamtbaurecht und die damit verbundene Möglichkeit, ein Bauwerk zu errichten, das sich über mehrere Liegenschaften erstreckt, großes Potenzial zur Erschließung von Bauflächen, insbesondere im städtischen Bereich bieten würde. Die Rechtslage ist in diesem Zusammenhang jedoch unsicher. Und die Uneinigkeit der Grundbuchpraxis über die Zulässigkeit eines solchen Gesamtbaurechts verhindert in der Immobilienpraxis den Versuch, das Gesamtbaurecht als geeignete Grundlage für Großbauprojekte durchzusetzen. Es bleibt sohin – wie auch in vielen anderen Fällen – zu hoffen, dass der Gesetzgeber eines Tages diese Problematik aufgreift und einer klaren gesetzlichen Lösung zuführt.