Immobilientransaktionen im Fokus des Beihilfenrechts – Teil II

Zur Möglichkeit der Genehmigung von Beihilfen durch die Europäische Kommission

Im ersten Teil des Fachbeitrages wurde aufgezeigt, dass Grundstückstransaktionen und Liegenschaftsentwicklungsprojekte mit Beteiligung der öffentlichen Hand einer beihilfenrechtlichen Würdigung unterzogen werden müssen. Ferner wurden Optionen vorgestellt, Immobilientransaktionen frei vom Beihilfeverdacht durchzuführen. Im zweiten Teil des Fachbeitrages sollen die wichtigsten Varianten dargestellt werden, Immobilienprojekte in zulässiger Weise mit Beihilfen der öffentlichen Hand zu fördern.

© Martin Kozcy

Beihilfen im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV sind grundsätzlich verboten. Das Beihilfendurchführungsverbot ist aber insofern nur ein relatives, als die Chance besteht, dass die Europäische Kommission die Durchführung der Beihilfe ausdrücklich erlaubt. Dies setzt freilich voraus, dass man der Europäischen Kommission die Möglichkeit einräumt, die Genehmigungsfähigkeit einer Beihilfe zu prüfen.
Daher bestimmt Artikel 108 Absatz 3 AEUV, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, vor (!!!) der Durchführung einer Beihilfe diese der Europäischen Kommission zur Prüfung anzumelden. Von dieser Anmeldepflicht bestehen Ausnahmen, von denen die wichtigsten nachfolgend im Detail vorgestellt werden. Gelangt keine dieser Ausnahmen zur Anwendung und gewährt der Mitgliedstaat eine Beihilfe, ohne diese vorab der Europäischen Kommission zu notifizieren, ist diese Beihilfe jedenfalls (formell) rechtswidrig und zwar auch dann, wenn die Europäische Kommission später in einem Überprüfungsverfahren – etwa auf Grund einer Beschwerde eines Mitbewerbers – zum Ergebnis gelangt, dass die gewährte Beihilfe genehmigungsfähig ist. An formell rechtswidrigen Beihilfen können bereits schwerwiegende rechtliche Konsequenzen nach nationalem Recht geknüpft sein, wie etwa Schadenersatz- und Unterlassungsansprüche nach österreichischem UWG (Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettberwerb). Befindet die Europäische Kommission, dass die vom Mitgliedstaat nicht angemeldete Beihilfe auch nicht genehmigungsfähig ist, dann muss der Beihilfeempfänger die Beihilfe samt Zinsen zurückzahlen. Hierbei nimmt die Europäische Kommission regelmäßig eine allfällige Insolvenz des betreffenden Unternehmens in Kauf und überprüft zudem sehr genau, was mit den Vermögenswerten des betreffenden Unternehmens passiert. Die „Flucht in die Insolvenz“ einer Tochtergesellschaft kann daher möglicherweise unerwartete Konsequenzen für die Muttergesellschaft haben (Lintschinger, Zur Verhängung von Zwangsgeldern und Pauschalbeträgen bei säumigen Mitgliedstaaten, in „Jahrbuch Beihilferecht 2013).

Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Beihilfe ausnahmsweise genehmigt werden kann, ist die Europäische Kommission an vorgegebene Ausnahmen gebunden. In Artikel 107 Absatz 3 AEUV sind Beihilfen aufgezählt, die mit dem Binnenmarkt als vereinbar angesehen werden können, wie zum Beispiel Regionalbeihilfen, Ziele des gemeinsamen europäischen Interesses oder Kulturbeihilfen. Eine Generalklausel bestimmt, dass dazu auch alle Arten von Beihilfen zählen, die der Rat durch einen Beschluss auf Vorschlag der Europäischen Kommission bestimmt.

Hintergrund dafür, dass Beihilfen in bestimmten Fällen erlaubt sind, ist die Erkenntnis, dass die regulatorischen Kräfte der Märkte auch versagen können. Mit einer zulässigen Beihilfe soll daher stets ein Marktversagen ausgeglichen werden. Zum Beispiel: KMU erleiden auf Grund ihrer geringen Unternehmensgröße am freien Markt Wettbewerbsnachteile (zB. trifft sie der Verwaltungsaufwand schwerer; Fremdfinanzierungen sind nur zu ungünstigeren Bedingungen möglich; KMU haben zu wenig Ressourcen, um Forschung zu betreiben und neue Geschäftsfelder zu eröffnen; etc.). Andererseits sind KMU europaweit ein bedeutender Faktor bei der Beschäftigung von Arbeitnehmern. Daher liegt es im gemeinsamen Interesse der Mitgliedstaaten, KMU zu stützen, sodass Beihilfen an KMU im eingeschränkten Umfang erlaubt werden, um die spezifischen Hindernisse am freien Markt auszugleichen.

Das derzeit geltende Beihilfenausnahmeregime ist umfangreich und im Detail überaus komplex, doch lassen sich die einzelnen Prüfschritte, welche die Europäische Kommission bei ihrer Evaluierung vornimmt, im Wesentlichen wie folgt zusammenfassen:

  • Dient die geplante Beihilfemaßnahme einem Ziel, das unter eine Ausnahmebestimmung fällt (zum Beispiel: „einem Ziel von gemeinsamem europäischem Interesse im Sinne von Artikel 107 Absatz 3 lit. b AEUV“ – dazu zählen neben Beschäftigung auch Zusammenhalt, Umwelt ua.)?
  • Ist das Beihilfeinstrument geeignet, das Marktversagen zu beheben?
  • Hat die Beihilfe einen Anreizeffekt, d. h. ändert sie das Verhalten von Unternehmen?
  • Ist die Beihilfe verhältnismäßig, d. h. könnte dieselbe Verhaltensänderung auch mit weniger Beihilfen erreicht werden?
  • Sind die Verfälschungen von Wettbewerb und Handel in ihrem Ausmaß begrenzt, so dass die positiven Folgen die negativen überwiegen?
  • Die Mitgliedstaaten, die Kommission, die Wirtschaftsbeteiligten und die Öffentlichkeit müssen einfachen Zugang zu allen einschlägigen Vorschriften und zu relevanten Informationen über die auf ihrer Grundlage gewährten Beihilfen haben.

Wenn beispielsweise ein Mitgliedstaat zwecks Beschäftigungspolitik einen internationalen Konzern dadurch motivieren möchte, sich in seinem Hoheitsgebiet niederzulassen, indem dem Konzern geeignete Immobilien zu marktunüblichen Bedingungen zur Verfügung gestellt werden, dann liegt eine Beihilfe vor, die, sofern kein anderer Ausnahmetatbestand greift, der Europäischen Kommission vor Durchführung angemeldet werden muss. Die Europäische Kommission wird die Genehmigungsfähigkeit dieser Beihilfe an Hand der oben aufgezeigten Prüfschritte evaluieren.

Für zahlreiche Sachverhalte hat die Europäische Kommission spezifische Kriterien veröffentlicht, welche sie bei der Prüfung anwendet. Diese basieren auf den oben aufgezeigten Prüfschritten, enthalten aber noch weitere Detailvorgaben. Wichtig ist, dass diese Vorgaben zwar die Mitgliedstaaten in die Lage versetzen, ihr Vorhaben an die maßgeblichen Prüfkriterien auszurichten, was zu einer erheblichen Verbesserung der Rechtsicherheit führt, doch die grundsätzliche Notifikationspflicht bleibt unberührt. Letztere Verfahrensbedingung wird gelegentlich übersehen, wodurch Beihilfegeber und Beihilfeempfänger gegenüber Mitbewerbern angreifbar werden.

Beispiel 1: Nach Artikel 107 Absatz 3 lit. a und c AEUV kann die Europäische Kommission Beihilfen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung bestimmter benachteiligter Gebiete innerhalb der Europäischen Union als mit dem Binnenmarkt vereinbar erachten. Diese Beihilfen werden als Regionalbeihilfen bezeichnet. Das übergeordnete Ziel der Regionalbeihilfen besteht darin, das Entwicklungsgefälle zwischen den verschiedenen Gebieten in der Europäischen Union zu verringern. In den „Leitlinien für Regionalbeihilfen 2014-2020“ sind die Voraussetzungen, unter denen Regionalbeihilfen als mit dem Binnenmarkt vereinbar erachtet werden können, festgesetzt (ABl. C 209 vom 23.07.2013, S. 1). Zu den beihilfefähigen Kosten zählen auch Leasingverträge für Grundstücke oder Gebäude. Diese müssen nach dem voraussichtlichen Abschluss des Investitionsvorhabens bei großen Unternehmen noch mindestens fünf Jahre, bei KMU mindestens drei Jahre weiterlaufen.

Beispiel 2: Nach dem Gemeinschaftsrahmen (ABl. C 323 vom 31.12.2006, S. 1. Nach einer Mitteilung der Europäischen Kommission gilt der aktuelle Gemeinschaftsrahmen bis 30.06.2014 weiter). Für staatliche Beihilfen für Forschung, Entwicklung und Innovation können Beihilfen in Zusammenhang mit den Kosten für Investitionen in Grundstücke, Gebäude, Maschinen und Ausrüstungen für Innovationskerne – damit sind Cluster von Unternehmen und Forschungseinrichtungen gemeint – mit dem Binnenmarkt vereinbar sein. Beihilfen für Innovationskerne sollen Koordinierungsprobleme beseitigen, durch die die Entwicklung solcher Kerne gehemmt wird. Aber auch ganz allgemein zählen nach dem Gemeinschaftsrahmen im Zusammenhang mit beihilfewürdigen Forschungsvorhaben die Aufwendungen für Gebäude und Grundstücke, sofern und solange sie für das Forschungsvorhaben genutzt werden, zu den beihilfefähigen Kosten.

Anmeldungsfreie Varianten von Beihilfen iZm Immobilientransaktionen

Das EU-Recht kennt Beihilfen, die „ex lege“ für zulässig erklärt wurden. Fällt ein Vorhaben unter den Anwendungsbereich einer solchen Ausnahmeregelung und werden alle Rahmenbedingungen eingehalten, muss es nicht der Europäischen Kommission förmlich zur Prüfung vorgelegt werden (Anzeigepflichten können im Einzelfall aber noch bestehen).

Eine herausragende Stellung nimmt hier die „De-minimis-Regel“ ein. Bei „De-minimis-Beihilfen“ handelt es sich um Maßnahmen, von denen angenommen wird, dass sie weder Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten haben noch den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen. Die De-minimis-Verordnung besagt, dass der Gesamtbetrag der einem einzigen Unternehmen von einem Mitgliedstaat gewährten De-minimis-Beihilfen in einem Zeitraum von drei Steuerjahren die Summe von EUR 200.000,00 nicht übersteigen darf. Es muss sich um „transparente Beihilfen“ handeln, d.h., dass der Wert (Ausgedrückt im Bruttosubventionsäquivalent) der Beihilfe sich ohne Risikobewertung konkret beziffern lässt. Beihilfen in Form von Barzuschüssen werden jedenfalls als transparent angesehen. Auch Beihilfen in Form von markunüblichen Darlehen und Garantien können unter bestimmten Voraussetzungen transparent sein. Maßgeblich ist immer, ob sich der Wert – allenfalls unter Berücksichtigung eines Abzinsungssatzes – konkret und ohne Risiko zum Zeitpunkt der Beihilfegewährung bestimmen lässt. Wird beispielsweise eine Liegenschaft zu einem marktüblichen Zins von einer Gemeinde vermietet, aber verzichtet die Gemeinde für die ersten drei Jahren auf die Mieteinnahmen, dann lässt sich der Wert der Beihilfe berechnen. Übersteigt die Beihilfe den Betrag von EUR 200.000,00 nicht, könnte die Anwendung der De-minimis-Regel in Betracht gezogen werden. Die Einhaltung der Höchstbetragsgrenze ist aber nur eine von mehreren Vorgaben, die beachtet werden müssen. Irrelevant ist die Größe des Unternehmens, das die De-minimis-Beihilfe erhält. De-minimis-Beihilfen können auch an Großunternehmen gewährt werden. Allerdings kann es bei einem Konzern unter bestimmten Voraussetzungen (siehe Artikel 2 Absatz 2 De-minimis-VO) passieren, dass die De-minimis-Beihilfen, welche anderen Konzernunternehmen gewährt wurden, bei der Beurteilung der Höchstbetragsgrenze mitberücksichtigt werden müssen. Keine Rolle spielt hingegen die Beihilfenintensität, denn mit einer De-minimis-Beihilfe kann ein Vorhaben zu 100% finanziert werden.

Eine ebenfalls in der Praxis bedeutsame Ausnahmevorschrift ist die AGVO, allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (ABl L 214 vom 9.8.2008, S. 3). Auch diese gilt nur für transparente Beihilfen und Voraussetzung für ihre Anwendbarkeit ist wiederum die Einhaltung von Schwellenwerten, die allerdings im Vergleich zu den De-minimis-Bestimmungen deutlich höher angesiedelt sind. Ferner werden mit der AGVO nur Beihilfen von der Anmeldepflicht freigestellt, die einen Anreizeffekt haben. Die AGVO erlaubt bei mehreren Sachverhalten die Gewährung von Beihilfen iZm der Finanzierung von Grundstückskosten, wie zum Beispiel bei regionalen Investitions- und Beschäftigungsbeihilfen (siehe Artikel 13 AGVO ) und bei Beihilfen für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben (siehe Artikel 31 AGVO).

Die obige Aufzählung ist bei Weitem nicht vollständig. Es existieren noch weitere Freistellungsbeschlüsse und zahlreiche sektoriale Leitlinien für die Prüfung der Beihilfenkonformität eine Beihilfe. Förderstellen oder Beihilfenrechtsexperten sollten konsultiert werden, um im Einzelfall die Möglichkeiten einer Förderung auszuloten.

Fazit

Beihilfen der öffentlichen Hand iZm der Anschaffung oder Bewirtschaftung von Grundstücken können unter bestimmten Bedingungen zulässig sein. Da Beihilfen im Sinne des EU-Rechts aber grundsätzlich verboten sind, ist die penible Einhaltung aller Ausnahmetatbestandsbedingungen unverzichtbare Voraussetzung für die Beihilfekonformität eines Projektes.