Die steigende Nachfrage nach energieeffizientem und ressourcenschonendem Bauen zwingt die Bauwirtschaft zu verstärktem Einsatz innovativer Werkstoffe und technischer Methoden, die noch nicht auf breiter Basis erprobt sind. Grund genug darauf hinzuweisen, dass aus Innovation am Bau massive rechtliche Risiken für Auftragnehmer resultieren können.
Denn grundsätzlich gilt in Österreich wie in Deutschland: Das hergestellte Werk, die ausgeführten Arbeitsmethoden müssen zumindest dem Stand der Technik entsprechen. Als Stand der Technik wird die Gesamtheit der im Bauwesen anerkannten wissenschaftlichen, technischen und handwerklichen Erfahrungen verstanden, die bekannt sowie als richtig und notwendig anerkannt sind.
Treten Mängel bzw. Schäden am oder ausgehend vom innovativ ausgeführten Werk auf, ist der Auftragnehmer rasch mit Gewährleistung und Haftung konfrontiert. Leichtfüßig kann der Auftraggeber argumentieren, dass das ausgeführte Werk oder die gewählte Arbeitsmethode nicht dem Stand der Technik entspricht, und hätte man den Stand der Technik beachtet, wären die Mängel und Schäden nicht aufgetreten. Der Beweis des Gegenteils wird kaum gelingen.
Bekanntlich ist auch die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik kein Garant für die Mängelfreiheit eines Werkes. Dennoch hat der Auftragnehmer nach österreichischer wie nach deutscher Rechtsprechung in solchen Fällen selbst dann Gewähr zu leisten bzw. zu haften, wenn der Auftraggeber in die Verwendung des innovativen Werkstoffs bzw. in die Ausführung der innovativen Methode ausdrücklich eingewilligt oder diese explizit beauftragt hat.
Der Auftragnehmer ist in solchen Fällen nur von Gewährleistung und Haftung frei, wenn er seinen Auftraggeber vor der Verwendung des Werkstoffs bzw. vor der Ausführung der Methode über die damit verbundenen Risiken umfassend aufgeklärt hat, der Auftraggeber trotzdem in die Verwendung des Werkstoffs bzw. in die Ausführung der Methode eingewilligt hat und sich das Risiko realisiert, wovor der Auftragnehmer gewarnt hat.
Zu beachten ist, dass der Auftragnehmer auch gegenüber einem sachkundigen oder sachkundig beratenen Auftraggeber zu entsprechender Aufklärung verpflichtet ist. Dazu kommt, dass der Auftragnehmer Gewähr zu leisten hat bzw. haftet, wenn er seinen Auftraggeber zwar über Risiken aufgeklärt hat, sich aber ein Risiko verwirklicht, vor dem er gerade nicht (hinreichend) gewarnt hat.
Damit der Auftragnehmer diese verstärkte Warnpflicht erfüllen kann, muss er natürlich über entsprechendes Know-how verfügen bzw. sich dieses nötigenfalls aneignen. Der Auftragnehmer hat insoweit also eine gesteigerte Untersuchungs- und Prüfungspflicht.
Der Auftragnehmer darf sich nicht etwa darauf verlassen, was der Auftraggeber vorgibt oder bereitstellt. Er muss sich vielmehr über den Werkstoff bzw. die Arbeitsmethode bei geeigneten Stellen (z.B. Prüfanstalten, Sachverständige) kundig machen. Der Auftragnehmer darf die Prüfung des Werkstoffs bzw. der Methode auch nicht bloß auf die Herstellerangaben beschränken, insbesondere wenn der Werkstoff oder die Methode als aus technischer Sicht nicht hinreichend zuverlässig gilt oder sonst begründete Zweifel an der Eignung des Werkstoffs bzw. der Methode bestehen.
Das Risiko für den Auftragnehmer wird aber in einem allfälligen Rechtsstreit noch verschärft. Denn der Auftragnehmer muss beweisen können, dass er seine Prüfungs- und Warnpflicht erfüllt hat. Gelingt der Beweis nicht (z.B. weil die Aufklärung nicht dokumentiert ist), folgt der Prozessverlust meist auf dem Fuß. Dokumentation ist also auch in diesem Fall das halbe (Über-)Leben!
Für die Praxis heißt das: Der Verwendung von innovativen Werkstoffen und der Ausführung von innovativen technischen Methoden sollte eine fundierte Eignungsprüfung und eine umfassende, nachweislich dokumentierte Aufklärung des Auftraggebers über alle erdenklichen Risiken, die damit verbunden sein könnten, vorausgehen. Andernfalls kann sich Innovation am Bau zu einem massiven wirtschaftlichen Risiko für den Auftragnehmer auswachsen.