Konfliktmanagement im Bauwesen

Mit außergerichtlichen Konfliktlösungsverfahren Zeit und Geld sparen.

© Martin Kozcy

Es ist keine neue Erkenntnis, dass die Bauwirtschaft europaweit von einer wachsenden Streitbereitschaft geprägt ist. Die Anzahl der Gerichtsverfahren nimmt zu, die Verfahrenskosten steigen und Gerichtsprozesse ziehen sich über Jahre in die Länge. Neben den Verfahrenskosten sind die Prozessrisiken finanziell/bilanziell schwer einschätzbar. Die wirtschaftlichen Folgen belasten alle Baubeteiligten. Nicht selten zerbrechen spätestens während der Gerichtsverfahren langjährige Geschäftsbeziehungen.

Die Ursachen sind bekannt: Im Rahmen der Projektabwicklung treffen eine Vielzahl unterschiedlicher Interessen von Baubeteiligten (Behörden, Auftraggeber, Auftragnehmer, Planer, Handwerker, Lieferanten etc.) aufeinander. Hinzu kommen ein ständig hoher Termin-, Kosten- und Qualitätsdruck, ein oftmals gestörter Informationsfluss, unzureichende Kommunikation, unklare Vertrags- und Ausschreibungsbedingungen, Änderungen der Bauausführung, Zusatzleistungen oder Qualitätsmängel. Dies sind die Rahmenbedingungen für die allseits bekannte Aussage: „Konflikte am Bau sind an der Tagesordnung“.

Dass für die Nachhaltigkeit und den Erfolg von Bauprojekten der richtige Umgang mit auftretenden Konflikten erforderlich ist, um steigende Konfliktkosten in der Zukunft zu minimieren oder gar zu vermeiden, ist erkannt. So steigt seit Jahren das Interesse für die außergerichtliche Beilegung von (Bau)-Konflikten. Es darf aber nicht übersehen werden, dass die Vorstellungen und Erwartungen, die Unternehmen mit Konfliktbearbeitungsverfahren verbinden, nicht in vollem Umfang dem tatsächlichen Vorgehen im Konfliktfall entsprechen. Nach dem gescheiterten Versuch, strittige Themen auf dem Verhandlungsweg beizulegen, erfolgt zumeist direkt der Gang zu Gericht. Die Diskrepanz zwischen Einstellung und tatsächlichem Verhalten schließt sich nur langsam. Dies beruht auf einer weiterhin fehlenden praktischen Erfahrung bei der Durchführung von außergerichtlichen Konfliktlösungsverfahren.

Ein professionelles, außergerichtliches Konfliktmanagement unter Verwendung der Wirtschaftsmediation, Schlichtung oder Adjudikation bietet sich an, um die steigenden Konfliktkosten im Bauwesen in der Zukunft zu minimieren. Nur welche Vorteile bieten diese Verfahren und gibt es nicht auch Nachteile?

Wirtschaftsmediation

Einer der häufigsten Irrtümer zum Mediationsverfahren liegt in der Annahme, die Parteien würden mittels der Mediation mit dem Ziel eines Kompromisses „weichgespült“. Dieser Irrtum führt zu einer in der Bauwirtschaft öfters verwendeten Einschätzung: “real man don´t mediate“.

Statt „neumodischer Konsens“ ist Mediation ein strukturiertes, freiwilliges und außergerichtliches Verfahren der Konfliktbearbeitung. Eine vermittelnde, neutrale, allparteiliche Person (Mediator) ermöglicht den Streitparteien (Medianten), miteinander in ein konstruktives Gespräch zu kommen, die Konflikthintergründe zu verstehen und eine Lösung zu erarbeiten, mit der sich alle Beteiligten identifizieren können. Der Mediator trifft dabei keine eigenen Entscheidungen bezüglich des Konflikts, sondern er ist für das strukturierte Verfahren verantwortlich. Neben geringen Kosten und hohen Erfolgsaussichten zeichnet sich die Mediation insbesondere durch folgende Aspekte aus:

Selbstbestimmung und Kontrolle

Die Parteien bestimmen den Mediator / die Mediatoren, Anfang und Ende der Mediation, sowie die zu behandelnden Inhalte. Im Vordergrund steht die selbstbestimmte Lösungsfindung: Kein „Dritter“ (Richter, Schiedsrichter) entscheidet über das Ergebnis.

Freiwilligkeit

Das Verfahren ist freiwillig. Jede Konfliktpartei behält damit die Kontrolle über Inhalt und Ausgang des Verfahrens.

Vertraulichkeit

Der Prozess der Mediation ist vertraulich und nicht öffentlich. Gerade bei Konflikten geht es oft um vertrauliche geschäftliche / private Inhalte.

Beziehungen

Für die meisten Konfliktparteien ist der Fortbestand einer intakten Geschäftsbeziehung sehr wichtig. Die gemeinsam erarbeitete Lösung wird den Bedürfnissen beider Konfliktparteien gerecht und ermöglicht eine weitere konstruktive Zusammenarbeit.

Zeit

Die Konfliktparteien erreichen mit Hilfe der Mediation häufig viel schneller eine Lösung als in einem aufwändigen Gerichtsverfahren, das möglicherweise durch mehrere Instanzen geht und sich über Jahre hinziehen kann.

Mögliche Grenzen findet ein Mediationsverfahren dort, wo bei den Parteien eine mangelnde Bereitschaft zur Eigenverantwortung gegeben ist. Die Parteien müssen bereit sein, Entscheidungskompetenz zu übernehmen und mit Abschluss des Verfahrens einem einvernehmlich gefundenen Ergebnis zuzustimmen.

Schlichtung

Im Rahmen einer Schlichtung hat der neutrale Schlichter den Auftrag, im Laufe des Schlichtungsverfahrens den Sachverhalt und die Rechtslage sowie die verschiedenen Positionen der Konfliktparteien einzuschätzen und aufgrund seiner Fachkenntnisse zu bewerten. In Abgrenzung zur Mediation findet eine Bewertung des Sachverhalts durch den Schlichter statt. Am Ende dieses Verfahrens kann er auf der Grundlage seiner Fachkompetenz einen Vergleichsvorschlag zur Streitbeilegung unterbreiten (Schlichterspruch), dessen Wirksamkeit jedoch der Akzeptanz der Parteien bedarf.

Die  Schlichtung fördert kooperative Verhaltensweisen der Parteien, indem sie auf eine einvernehmliche Lösung von Streitfragen hinwirkt. Wie im Mediationsverfahren verbleibt die „Herrschaft über den Konflikt“ bei den Parteien, da der Schlichterspruch durch sie angenommen oder abgelehnt werden kann. Die Verfahrens- und – in Abgrenzung zur Mediation – auch die Entscheidungsautonomie obliegt dem Schlichter.

Neben den geringen Kosten entsprechen die Vorteile eines Schlichtungsverfahrens den oben genannten Vorteilen des Mediationsverfahrens.

Analog dem Mediationsverfahren müssen die Parteien bereit sein, mit Abschluss des Verfahrens eine Entscheidung zu treffen. Mit dem Vorliegen des Schlichterspruchs ist dieser von den Parteien anzunehmen oder abzulehnen.

Adjudikation

Adjudikation ist ein vor allem im angelsächsischen Rechtsraum seit über 10 Jahren verbreitetes Verfahren zur außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten. Auf Anrufung einer Partei eines Vertrages über Bauleistungen muss ein Adjudikator innerhalb von kurzen Fristen (z.B. 28 Kalendertagen) über die vorgetragene Streitigkeit entscheiden. Die Parteien sind solange an die Entscheidung des Adjudikators gebunden, bis diese durch die Parteien einvernehmlich abgeändert oder auf Antrag einer Partei von einem (Schieds-)Gericht aufgehoben wird. Gegenstand des Verfahrens können alle Arten von Streitigkeiten und Ansprüchen sein, also nicht nur Zahlungsansprüche, sondern auch Feststellungen über Unwirksamkeit oder Wirksamkeit von Erklärungen. Die Effizienz des Verfahrens liegt darin, dass es in kurzen Fristen von wenigen Wochen abgewickelt wird.

Als Vorteile eines Adjudikationsverfahrens sind zu nennen:

Sofortige Sachverhaltsklärung

Durch die projektbegleitend vereinbarte Adjudikation können auftretende Streitigkeiten kurzfristig einer Klärung zugeführt werden. Hierdurch werden Sachverhalte / Fakten, deren Klärung ggf. durch den weiteren Projektablauf unmöglich oder erheblich erschwert wird, „gesichert“ (Problem der Fortführung des Projekts, der „Überbauung“).

Planungssicherheit

Auftraggeber wie Auftragnehmer brauchen bei (Anlagen-)Bauprojekten Planungssicherheit. Die strittige Frage, wie z.B. eine Baubeschreibung auszulegen ist, muss zeitnah – baubegleitend – entschieden werden.

Streitvermeidung

Durch die zeitnahe baubegleitende Adjudikationsentscheidung werden taktische „Spiele“ vermieden. Jede Partei kann über die vereinbarte Adjudikation eine schnelle und bis zum Bauende bindende Entscheidung erlangen.

Vertraulichkeit

Der Prozess der Adjudikation ist vertraulich und nicht öffentlich.

In Deutschland / Österreich setzt Adjudikation eine vertragliche Vereinbarung der beteiligten Parteien voraus, die schon Bestandteil des Bau- bzw. Anlagenbauvertrages sein kann. Über die Ausgestaltung des Adjudikationsverfahrens im Einzelnen und die Benennung eines oder mehrerer Adjudikatoren entscheiden die Parteien. Hier kann auf bereits bestehende Verfahrensordnungen zurückgegriffen werden.

Fazit

Außergerichtliches Konfliktmanagement ist unter Verwendung der Verfahren Mediation, Schlichtung und Adjudikation sehr viel mehr als kompromissbereites Verhandeln. Es ist vielmehr eine Möglichkeit, den üblichen Gerichtsweg zu verlassen, um kostengünstig, schnell und insbesondere unter Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung eine Konfliktlösung zu erreichen.

Dietmar Ludolph