Mehrfaches Verschieben von Mängelbehebungsterminen durch private Auftraggeber zumutbar

Gerichtszahl: OGH 22.11.2011, 4Ob163/11s
Gesetzliche Grundlage: § 1052, § 1170 ABGB

Kernaussagen des OGH

  1. Dem Werkbesteller (Auftraggeber [AN]) steht bis zur völligen Erfüllung der Verbindlichkeit des Werkunternehmers, also bis zur vollständigen Verbesserung bestehender Mängel, gegenüber dem den Werklohn fordernden Werkunternehmer (Auftragnehmer [AN]) ein Leistungsverweigerungsrecht zu. Nach ständiger Rechtsprechung kann der AG den gesamten aushaftenden Werklohn bis zur Erfüllung – Schikane ausgenommen – zurückbehalten. Der Werklohn ist bis zur Behebung der Mängel nicht fällig.
  2. Die Fälligkeit des Werklohns kann nur solange hinausgeschoben werden, als ein Verbesserungsanspruch besteht und die Verbesserung im Interesse des AG liegt. Dieses Interesse erlischt, sobald der AG die Fertigstellung des Werks durch den AN verhindert oder unmöglich macht oder wenn er das noch unvollendete Werk von einem Dritten vervollständigen lässt. Es entfällt aber ebenso bei fehlender nötiger Kooperation zur Bewerkstelligung der Mängelbehebung durch den AG.
  3. Von einer (endgültigen) Ablehnung oder Verhinderung der Verbesserung durch einen (privaten) AG kann nicht gesprochen werden, wenn Verbesserungsarbeiten um etwa zwei Monate auf Betreiben des AG verschoben werden, wenn der AN erst mehr als fünf Jahre nach Beendigung seiner Tätigkeit und Schlussrechnung die Verbesserung anbietet. Nachvollziehbar ist auch der Wunsch des AG, nicht nur nähere Auskunft über Art und Weise der Sanierung zu erlangen, sondern auch persönlich anwesend zu sein und die Sanierungsarbeiten, die überdies Vorleistungen von ihrer Seite verlangen, mit ihrem beruflichen und familiären Alltag abzustimmen.

Sachverhalt

Der klagende Auftragnehmer (AN) führte am Wohnhaus privater Auftraggeber (AG) bis Anfang des Jahres 2005 Dachdecker- und Spenglerarbeiten aus. Mit Schlussrechnung vom 28.2.2005 begehrte er unter Anrechnung bereits geleisteter Teilzahlungen von EUR 33.500,– einen restlichen Werklohn von EUR 19.484,15. Die AG zahlten diesen Betrag nicht, weil die Arbeiten mangelhaft ausgeführt wurden, weswegen der AN Klage erhob. Nach dem gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachten lagen am Gewerk des AN behebbare Mängel vor, deren Behebung EUR 5.943,42 kostet. Der klagende AN bot daher am 18.8.2010, also mehr als fünf Jahre nach Legung der Schlussrechnung, die Mängelbehebung entsprechend dem letzten Gutachten des Gerichtssachverständigen an und avisierte als Termin den 30.8.2010. Darauf erwiderten die beklagten Auftraggeber, dass sie bis Ende August 2010 auf Urlaub sind, sodass mit der Sanierung frühestens im September begonnen werden könne. Darauf hin teilte der AN mit, ab 6.9.2010 die Sanierungsarbeiten durchzuführen. Darauf antworteten die AG, in der letzten Ferienwoche noch eine Sportwoche mit ihrer behinderten Tochter verbringen zu wollen und eine Sanierung daher frühestens Mitte September möglich sei. Weiters teilten sie mit, dass sie bei der Sanierung anwesend sein wollen und daher Urlaub nehmen müssten. Daraufhin nannte der AN einen Sanierungsbeginn am 13., spätestens 15.9.2010 sowie eine Sanierungsdauer von einer Woche. Daraufhin antworteten die AG am 13.9.2010, dass sie unbedingt bei den Sanierungsarbeiten anwesend sein möchten und zudem Vorarbeiten für die Entfernung eines Vordaches – wie vom AN zuletzt gefordert – vornehmen müssten. Sie ersuchten daher um Verständnis dafür, infolge Schwierigkeiten bei Vereinbarung eines Urlaubs mit dem Arbeitgeber mit der Sanierung erst Mitte Oktober zu beginnen. Darauf antwortete der AN nicht mehr, sondern sandte am 22.9.2010 zwei Arbeiter zum Haus der AG. Diese schickten die Arbeiter des AN unter Verweis auf die bisherige Korrespondenz, insbesondere das letzte Schreiben vom 13.9.2010 wieder weg. Die Gerichte erster und zweiter Instanz wiesen – vom Obersten Gerichtshof bestätigt – die Werklohnklage des AN mit der Begründung ab, der (restliche) Werklohn sei im Hinblick auf die vom klagenden AN zu vertretenden wesentlichen und behebbaren Mängel noch nicht fällig, die beklagten AG hätten Sanierungsversuche auch nicht unzulässig verhindert.

Harald Friedl
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