Nachbarrechte bei Bauvorhaben im Fokus

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Im Zuge der Entwicklung und Durchführung von Bauprojekten sollten aufgrund eines aktuellen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes bereits in einem frühen Planungsstadium – zur Vermeidung von allfälligen Konflikten, Bauverzögerungen und Kostenüberschreitungen – die allfälligen subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte berücksichtigt werden.


Den Nachbarn werden in den verschiedensten öffentlich-rechtlichen Bereichen subjektiv-öffentliche Abwehrrechte eingeräumt um allfällige Beeinträchtigungen und Eingriffe in deren Rechtssphäre (Eigentumsrechte, Nutzungsrechte, etc) entgegen treten zu können. Insbesondere sind bei der Errichtung eines Bauprojekts die Bestimmungen der jeweiligen Bauordnung, sowie allenfalls bei gewerblichen Projekten die Bestimmungen der Gewerbeordnung und bei der Umsetzung eines umweltverträglichkeitsprüfpflichtigen Vorhabens die Bestimmungen des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVP-G) zu beachten.

Da die Gesetzgebung hinsichtlich der baurechtlichen Vorschriften aufgrund der verfassungsrechtlichen Generalklausel (Art 15 B-VG) dem selbständigen Wirkungsbereich der Länder zugewiesen ist, bestehen in Österreich neun verschiedene Bauordnungen bzw. Baugesetze. Die Nachbarrechte sind somit je nach Bundesland unterschiedlich geregelt.
Bevor jedoch auf die Bauordnungen für Wien Bezug genommen wird, ist zuvor der Begriff des Nachbars näher zu konkretisieren.

Als Nachbar werden grundsätzlich die Eigentümer (Miteigentümer) der Liegenschaften bezeichnet, welche direkt an die zu bebauende Liegenschaft angrenzen oder im weiteren räumlichen Naheverhältnis zur bebauenden Liegenschaft situiert sind. Das räumliche Naheverhältnis wird – mit Ausnahme in Kärnten und Steiermark – durch die Angabe von Abständen zur Nachbarliegenschaft genau gesetzlich festgelegt. Die Mieter einer benachbarten Liegenschaft erhalten jedoch keine Parteistellung als Nachbar.

Den Bauordnungen der einzelnen Bundesländer ist ebenfalls gemeinsam, dass die Nachbarrechte beschränkt sind. Die Nachbarn können im baubehördlichen Bewilligungsverfahren nur diejenigen Rechte geltend machen, welche nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Schutz der Nachbarn dienen. Diese Rechte werden daher als subjektiv-öffentliche Rechte bezeichnet.

Die subjektiv-öffentlichen Rechte der Nachbarn sind in einigen Bauordnungen (z.B. Tirol, Niederösterreich und Wien) abschließend geregelt, so dass nur Verstöße gegen die gesetzlich aufgezählten Vorschriften von den Nachbarn geltend gemacht werden können. Im Gegensatz dazu, können beispielsweise im Burgenland Nachbarn bereits Einwendungen erheben, sobald sie die Verletzung von ihren Interessen dienenden – nicht näher gesetzlich definierten – Vorschriften behaupten.

In den meisten Bauordnungen sind als wesentliche Nachbarrechte die Vorschriften über (i) die Einhaltung bestimmter Abstände, (ii) die Gebäudehöhe und (iii) die Bauplatzgestaltung, sowie die Verletzung von Verfahrensvorschriften zulasten der Nachbarn verwirklicht. Im Gegensatz stehen den Nachbarn bei der Verletzung von Vorschriften über die Beachtung des Ortsbildes bzw. des Straßenbildes keine Nachbarrechte zu.

Die Bauordnung für Wien sieht eine weitere Beschränkung der Nachbarrechte vor. Die subjektiv-öffentlichen Rechte des Nachbarn sind somit in zweifacher Weise beschränkt, einerseits durch die abschließende Regelung im Gesetz (§ 134a Wr BO) und andererseits durch die Voraussetzung „sofern sie ihrem Schutz dienen“. Das bedeutet, dass – selbst wenn ein Verstoß gegen eine der aufgezählten Bestimmungen vorliegt – eine Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Nachbarrechts nur dann in Betracht kommt, wenn nach der Situierung des Bauvorhabens ein Eingriff auch im konkreten Fall möglich ist. Dies bedeutet, dass immer nur der direkt gegenüberliegende Nachbar der vom Verstoß betroffenen Gebäudefront Parteistellung im baubehördlichen Verfahren hat.

Diese Besonderheit der Bauordnung für Wien war auch Anlass eines erst kürzlich ergangenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes.
Im Zentrum Wiens sollte bei einem Eckgebäude das Dachgeschoß ausgebaut und ein Lift zugebaut werden. Nachbarn dieses geplanten Bauvorhabens – welche bereits in bestehenden Dachgeschoßwohnungen lebten – fühlten sich dadurch jedoch in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten beschränkt und machten eine Verletzung der Bestimmung über die zu-lässige Bauhöhe für das gesamte Eckgebäude geltend.

Die Nachbarn haben jedoch bei der Geltendmachung ihrer Einwendungen übersehen, dass sie nur in Bezug auf die direkt gegenüberliegende Gebäudefront der Bauliegenschaft Parteistellung haben. Hinsichtlich der Gebäudefronten, welche hinter der gegenüberliegenden Gebäudefront oder in einem rechten Winkel davon situiert sind, können die Nachbarn keine subjektiv-öffentlichen Rechte geltend machen. Die bloße Möglichkeit der Einsichtnahme auf eine Front der Bauliegenschaft ist somit nicht ausreichend für Erhebung von Einwendungen. Die Nachbarn können somit nur eigene Nachbarrechte – wenn sie selbst durch die Nichteinhaltung der Vorschriften betroffen sind – geltend machen und nicht solche, von denen nur andere Nachbarn betroffen wären.

Die höchstzulässige Gebäude- und Dachhöhe ist in § 81 Bauordnung für Wien normiert und bestimmt, dass – sofern der Bebauungsplan nicht anderes bestimmt – der oberste Abschluss des Daches keinesfalls höher als 7,5 m über der zulässigen Gebäudehöhe liegen darf. Der Bebauungsplan für die streitgegenständliche Bauliegenschaft sah jedoch vor, dass der höchste Punkt des Daches der zur Errichtung gelangenden Gebäude nicht höher als 4,5 m über der tatsächlich ausgeführten Gebäudehöhe liegen darf.
Der Verwaltungsgerichtshof hat diesbezüglich – aufgrund einer verfassungskonformen Interpretation – entschieden, dass ein Dachgeschoßausbau im Sinne der gegenständlichen Bestimmung des Bebauungsplanes auch als ein zur Errichtung gelangendes Gebäude zu werten ist und der geplante Dachgeschoßausbau daher gegen die Vorschriften über die zulässige Gebäudehöhe verstößt.

Im Zuge dieses Erkenntnisses wurden auch die Verfahrensrechte der Nachbarn verstärkt. Bisher konnten in Wien Nachbarn – im Gegensatz zu anderen Bundesländern – keinen Antrag auf Abbruch eines rechtswidrig errichteten Gebäudes an die Behörde stellen und mussten daher darauf vertrauen, dass die Behörde von Amtswegen tätig wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch nun entschieden, dass subjektive Rechte – wie das Nachbarrecht – verfassungsrechtlich geboten vom Betroffenen direkt durchsetzbar sein müssen und keine Abhängigkeit vom allfälligen Tätigwerden einer Behörde bestehen kann. Dem Rechtsmittel der Nachbarn wurde daher aufschiebende Wirkung zuerkannt, so dass mit dem Bauvorhaben während des Rechtstreites nicht begonnen werden konnte.

Im Hinblick auf die Vielzahl an zu realisierenden Dachgeschoßausbauten und der nunmehr zuerkannten aufschiebenden Wirkung von Rechtsmitteln der Nachbarn sollten daher bei der Entwicklung und Durchführung von Bauprojekten insbesondere die Vorschriften über die Abstände und Gebäudehöhen der jeweiligen Bauordnung – unter Berücksichtigung der Bestimmungen des Flächenwidmungs- und Bebauungsplans – berücksichtigt werden. Ansonsten drohen langjährige baubehördliche Verfahren und daraus resultierende Bauverzögerungen und Mehrkosten.

Julia Haumer-Mörzinger