Mitunter soll es bei Bauvorhaben schon vorgekommen sein, dass übereifrige Bauarbeiter auf dem Nachbargrund verwurzelte Bäume im Zuge des Aushubs der Baugrube ohne Zustimmung des Eigentümers des Nachbargrundes entfernt oder beschädigt haben sollen. In einer solchen Konstellation drängt sich – auch abseits des öffentlich-rechtlichen Baumschutzes – allenfalls die Frage auf, ob und inwieweit für einen solchen Schaden Ersatz zu leisten ist.
Aktuellen Medienberichten zufolge wurden in Österreich 2019 dreizehn Hektar pro Tag an Grünland für Verkehrsflächen, Siedlungen sowie Wirtschafts- und Industriegebäude verbaut. Besonders Bäume werden – ungeachtet der allgegenwärtigen Diskussion zum Thema Natur-, Umwelt- und Klimaschutz – oft als störende Hindernisse für die Realisierung von Bauvorhaben gesehen und manchmal – so hört man – sogar ohne Rücksicht auf öffentlich-rechtliche Baumschutzbestimmungen entfernt.
Der Erhaltung und Aufforstung des Baumbestandes sollte im Kampf gegen den Klimawandel eine zentrale Rolle zukommen. Dennoch trifft man in der Baupraxis nach wie vor vereinzelt auf die Meinung, dass ein Baum – mit Ausnahme seiner Funktionen, (i) Früchte abzuwerfen, (ii) den Garten zu beschatten und (iii) für Blickschutz zu sorgen – eigentlich keinen Wert habe. Dieser könne daher ohne (erhebliche) Rechtsfolgen gefällt oder beschädigt werden, wenn er eine Bautätigkeit behindert.
Diese Auffassung widerspricht dem aktuellen Zeitgeist. Auch die österreichische Rechtsprechung macht in Einzelfällen den Anschein, dass sie diese Auffassung unterstützt oder zumindest für vertretbar hält. Insbesondere im Falle der gerichtlichen Geltendmachung von Schadenersatz für einen widerrechtlich und gegen den Willen seines Eigentümers gefällten oder beschädigten Baum kann daher die Bewertung des Baumes und damit auch des Schadenersatzanspruches Schwierigkeiten bereiten.
Im österreichischen Haftpflichtrecht gilt das Primat der Naturalrestitution. Das heißt, der Geschädigte hat aus diesem Rechtsgrund gegen den Schädiger zunächst nur einen Anspruch auf Zurückversetzung in den vorigen Stand. Für den Fall der Entfernung oder Beschädigung eines Baumes bedeutet dies, dass der Geschädigte vom Schädiger zunächst nur die Pflanzung eines neuen Baumes oder die Wundversorgung und Sanierung des beschädigten Baumes fordern könnte.
Aber schon die Zurückversetzung in den vorigen Stand kann sich im Falle der Entfernung eines Baumes als schwierig oder unmöglich herausstellen, insbesondere wenn es sich um einen besonders alten und/ oder groß dimensionierten Baum handelt, der so am Markt nicht erhältlich oder nicht pflanzfähig ist.
Kommt eine Zurückversetzung in den vorigen Stand nicht in Frage, weil eine gleichartige oder gleichwertige Sache nicht hergestellt werden kann, und wurde der Schaden durch leichte Fahrlässigkeit verursacht, besteht ein Anspruch auf Ersatz des gemeinen Wertes der beschädigten Sache; dieser gemeine Wert besteht nach bisheriger Rechtsprechung im zu schätzenden Nutzen, den die Sache auf Zeit und Ort gewöhnlich und allgemein leistet, somit im Verkehrs- oder Ertragswert.
Der Oberste Gerichtshof vertritt nun in seiner Entscheidung 8Ob35/87 vom 19.11.1987 die Auffassung, dass im Falle einer beschädigten zehn bis zwölf Meter hohen Fichtenhecke eine Zurückversetzung in den vorigen Stand untunlich sei, weil eine gleichartige oder gleichwertige Hecke mit neugepflanzten Fichten nicht hergestellt werden kann. Zugleich kommt der Oberste Gerichtshof darin jedoch auch zum Schluss, dass einer solchen Fichtenhecke weder ein Verkehrs- noch ein Ertragswert zuordenbar sei.
Anhand dieser Argumentation könnte man vermeinen, dass ein Baum keinen gemeinen Wert aufweist und im Falle der Haftung für eine widerrechtliche Baumfällung daher auch kein Ersatz für den dadurch verursachten Wertverlust zu leisten ist. Auch das Argument, dass die Haftung diesfalls auf die Pflanzung eines neuen Baumzöglings beschränkt sei, könnte sich daraus ableiten lassen.
Diese Rechtsmeinung ist selbst ausgehend von der Entscheidung 8Ob35/87 des Obersten Gerichtshofes jedoch unrichtig. Denn aus dieser Entscheidung ergibt sich, dass der Schädiger der zehn bis zwölf Meter hohen Fichtenhecke nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes grundsätzlich für deren Wiederherstellung einzustehen hat. Die Wiederherstellung der Fichtenhecke komme – so der Oberste Gerichtshof – jedoch nicht in Betracht, weil die Neupflanzung von Fichtenbäumen in der Höhe der beschädigten Bäume nicht möglich sei. Damit ist offenkundig, dass sich der Geschädigte mit der Pflanzung eines Baumzöglings als Ersatzleistung nicht zufriedengeben muss.
Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes kommt diesfalls vielmehr nur der Ersatz des gemeinen Wertes des Baumes in Betracht, der mangels Verkehrs- oder Ertragswertes nach den Herstellungskosten zu bestimmen sei. Die Herstellungskosten definiert der Oberste Gerichtshof in diesem Zusammenhang mit den Kosten der Anschaffung und Pflanzung möglichst großer, aber noch pflanzfähiger Bäume und ihrer Pflege bis zur Erreichung der Wuchshöhe der beschädigten Bäume.
Insofern misst der Oberste Gerichthof einem Baum daher doch einen (erheblichen) Wert zu. Jedenfalls ist auch der Oberste Gerichtshof der eindeutigen Ansicht, dass die Haftung des Schädigers nicht auf die (vergleichsweise geringen) Kosten der Anschaffung eines Baumzöglings beschränkt ist. Und auch die Kosten der Baumpflege bis zur Erreichung der Wuchshöhe des entfernten Baumes sind – abhängig von der Dimension des entfernten Baumes – als nicht ganz unerheblich zu werten.
Anders wird der Wert eines Baumes im Übrigen in der deutschen Rechtsprechung beurteilt. Hier erfolgt die Baumwertermittlung nach der sogenannten „Methode Koch“ ähnlich der Sachwertermittlung eines Grundstücks. Diese Methode unterstellt, dass Bäume wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind und – abhängig von der Funktion des Baumes – zu dessen Wert beitragen. Auch nach dieser Methode wird der Baumwert von den Kosten der Anschaffung, Pflanzung und Pflege, aber auch vom Anwachsrisiko und den Zinsen auf die Kosten während der Herstellungszeit maßgeblich beeinflusst. Diese Methode ermöglicht es jedoch, zusätzlich die allfällige Funktion des Baumes – im Gesamtkontext eines Grundstückes – wertmäßig zu berücksichtigen.
Unabhängig davon, ob man den Wert eines Baumes – wie in der österreichischen Judikatur – nach den Herstellungskosten oder nach der deutschen „Methode Koch“ ermittelt, sollte man sich daher vor dem Hintergrund der vorerwähnten Rechtsprechung vom Gedankengut befreien, dass ein Baum ein wertloses Gut darstellt, das ohne (erhebliche) Rechtsfolgen gefällt oder beschädigt werden könne. Vielmehr ist der Schädiger eines Baumes unter Umständen dem erheblichen Risiko einer Haftung für empfindliche Geldersatzleistungen an den geschädigten Baumeigentümer ausgesetzt. Auch strafrechtliche Folgen wegen vorsätzlicher Sachbeschädigung sind denkbar.