Nach 204 Jahren war es Zeit, die Gesellschaft bürgerlichen Rechts neu – wenn auch nicht gänzlich anders – zu regeln. Von den am 1.1.2015 in Kraft getretenen Bestimmungen gehören jene über die Insolvenz eines ARGE-Partners zu den wichtigsten. Darum werden sie hier näher besprochen. Ab Mitte 2016 gilt das neue Regime auch für bestehende ARGEn, weshalb man die Übergangsbestimmungen kennen sollte. Drittens lohnt es sich, bis zum Ende dieses Beitrags zu lesen, um die Highlights der neuen Rechtslage für Bau-ARGEn zu finden.
1. Weiterführung oder Auflösung der ARGE bei Insolvenz eines Mitglieds
Grundsätzlich automatische Auflösung
In Zukunft ist klar, dass die GesbR bei Konkurs eines Gesellschafters automatisch aufgelöst wird. Das gilt nicht nur für Zweier-ARGEn, sondern für alle ARGEn.
Genauer gesagt, löst sie sich auf, wenn:
- ein Konkursverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters rechtskräftig eröffnet wird,
- ein Sanierungsverfahren in ein Konkursverfahren umgewandelt oder
- die Nichteröffnung bzw Aufhebung des Insolvenzverfahrens mangels Kostendeckung rechtskräftig wird.
Fortsetzung möglich
Die Auflösung kann verhindert werden, indem die anderen, nicht insolventen Gesellschafter die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen. Bei einer ARGE von zumindest drei Mitgliedern und Insolvenz eines der Mitglieder sind genügend weitere Gesellschafter für die Fortsetzung vorhanden. Die Fortsetzung muss auch dem Masseverwalter gegenüber erklärt werden. Dann gilt der insolvente ARGE-Gesellschafter mit Konkurseröffnung als ausgeschieden. Das Gesellschaftsvermögen und alle Pflichten gehen von Gesetzes wegen auf die verbleibenden Gesellschafter über, der ausscheidende ist abzufinden. Damit ist die bisher strittige Gesamtrechtsnachfolge der verbleibenden Gesellschafter (vgl Pkt 18.4 der VIBÖ-GO) gesetzlich klargestellt. Bisher war offen, ob eine Vereinbarung, dass der Anteil an allen im Mit- und Gesamthandeigentum der Gesellschafter stehenden Vermögensteile auf die anderen Gesellschafter übergeht, wirksam ist.
Keine Fortsetzung bei Insolvenz des vorletzten Gesellschafters
Verbleibt nur ein einziger nicht-insolventer Gesellschafter kann er allein die GesbR nicht fortsetzen. Eine GesbR benötigt zumindest zwei Gesellschafter. Statt der Fortsetzung geht das Gesellschaftsvermögen auf ihn allein über, die Gesellschaft erlischt sofort ohne Liquidation.
Ohne Fortsetzung folgt die Abwicklung
Die Auflösung der ARGE während eines laufenden Bauverfahrens ist für den Bauherrn und die verbleibenden Gesellschafter meistens nicht wünschenswert. Deshalb wird meistens die Fortsetzung beschlossen werden. In allen anderen Fällen der Auflösung muss die GesbR liquidiert werden. Verträge werden abgewickelt, Vermögen verwertet und die Gläubiger befriedigt. Der Rest wird unter den Gesellschaftern verteilt.
Fortsetzungsbeschluss erst im Anlassfall oder schon im ARGE-Vertrag?
Der ARGE-Vertrag gemäß VIBÖ-Muster enthält in Pkt 18.2 bis 18.5 bereits eine Regelung für den Insolvenz-Fall. Fraglich ist, ob diese Regelung allein zulässig bzw ausreichend ist. Das ABGB sagt nämlich, dass die übrigen Gesellschafter „bei Auflösung der Gesellschaft“ die Fortsetzung beschließen. Eine Beschlussfassung im Vorhinein im ARGE-Vertrag und nicht erst nach der Auflösung aus Anlass der Insolvenz eines Mitglieds könnte unwirksam sein. Wahrscheinlicher ist jedoch wie bisher von gewichtigen Stimmen argumentiert, eine bereits im ARGE-Vertrag vorgenommene Regelung zulässig. Wer sicher gehen möchte, legt im Vertrag fest, dass die anderen Gesellschafter die Fortsetzung (noch einmal) zu beschließen haben.
In jedem Fall benötigt die Fortsetzung der GesbR wie erwähnt eine Erklärung gegenüber dem Masseverwalter. Sonst findet keine Fortführung statt und die Gesellschaft wird aufgelöst. Deshalb sollte auch diese Erklärung gegenüber dem Masseverwalter besser noch einmal im ARGE-Vertrag vorgesehen werden, damit später niemand darauf vergisst. Erfahrungsgemäß lesen alle Beteiligten im ARGE-Vertrag nach, aber nicht unbedingt im Gesetz.
Im ABGB offen ist, innerhalb welcher Frist die Erklärung an den Masseverwalter abgegeben werden muss – am besten also unverzüglich nach Kenntnis vom Insolvenzverfahren. Was kann man tun, um nicht zu spät zu sein? Eine verlässliche Methode wäre wieder die Regelung im ARGE-Vertrag. Allerdings sollte der Vertrag nicht so auszulegen sein, dass die Erklärung gegenüber dem Masseverwalter nach Ablauf der nur „zur Erinnerung“ festgelegten Frist unmöglich ist.
ARGE-Mitglied als Subunternehmer der ARGE
In der Praxis kommt es häufig zu Subvergaben durch eine Bau-ARGE, oft auch an einzelne ihrer Mitglieder. Wie diese Verträge rechtlich zu behandeln sind, bleibt im Gesetz auch nach der Novelle ungeregelt. Da eine ARGE, die eine GesbR ist, ja keine Rechtsfähigkeit hat, kann sie keine Subaufträge vergeben. Vertragsparteien eines solchen Sub-Vertrages sind der Subunternehmer und die ARGE-Mitglieder selbst. Ist eines von ihnen auch Subunternehmer, müsste dieses Mitglied mit sich selbst einen Vertrag schließen, was nach österreichischem Recht unwirksam wäre. Deshalb wird dieses Problem wie bisher zu lösen sein, nämlich dass ein solcher Subvertrag mit einem Mitglied wie eine Nebenabrede zum ARGE-Vertrag zu sehen ist. Die Gesellschafter vereinbaren in diesem „Subvertrag“, dass der betreffende Gesellschafter bestimmte der gemeinsamen Aufgaben zu erfüllen hat.
2.Übergangsfristen für alte ARGEn
Die neuen Regelungen gelten für alle GesbR, die ab dem 1.1.2015 gegründet werden. Aber auch für alle alten GesbR gelten diese Regelungen rückwirkend und zwar ab 1.7.2016. Das bedeutet, dass alles, was nicht im ARGE-Vertrag geregelt ist, nach den neuen gesetzlichen Bestimmungen zu beurteilen ist, und Vertragsklauseln, welche zwingendem GesbR-Recht widersprechen, unwirksam werden. Da jedoch wie unten auszuführen, die meisten der neuen Bestimmungen dispositives, also durch Vereinbarung abänderbares Recht sind, wird das kaum vorkommen.
Wer die Rückwirkung trotzdem verhindern möchte, kann das (für die meisten neuen Bestimmungen) bis 30.6.2016 tun. Dafür muss einer der Gesellschafter bis 30.6.2016 erklären, die Anwendung des alten Rechts beizubehalten. Damit schiebt er die Wirkung der neuen Bestimmungen bis 31.12.2021, somit für sieben Jahre hinaus. Ab 1.1.2022 gelten die neuen Bestimmungen jedenfalls – falls es dann noch alte ARGEn gibt. Keine solche „Ausstiegsoption“ gibt es für die Bestimmungen zur Definition der GesbR, Gründung, Vertretung und Gesellschafternachfolge.
3. Überblick der neuen Bestimmungen
Wesen und Gründung der neuen ARGE
Die GesbR ist in 48 Paragraphen des ABGB geregelt. Fast alle dieser Bestimmungen können durch Vertrag geändert werden. Wird aber kein GesbR- bzw ARGE-Vertrag geschlossen, bieten die neuen Bestimmungen einen verständlichen Rechtsrahmen.
Das Wesen der GesbR ist nicht beliebig regelbar, ändert sich aber kaum. Sie entsteht durch mündlichen oder schriftlichen Vertrag. Bei einer Bau-ARGE ist das fast immer ein schriftlicher Vertrag, zB gem dem VIBÖ-Muster 2008 oder nach Vorgaben des Auftraggebers in einer Ausschreibung. Die GesbR ist darauf gerichtet, durch eine bestimmte Tätigkeit (zB „Erbringung aller Bauleistungen“) einen bestimmten gemeinsamen Zweck (zB „Umsetzung des Bauvorhabens XY“) zu erreichen. Punkt 1.3.1 des VIBÖ-Musters kannte schon bisher einen solchen Zweck. Erfahrungsgemäß ist es sinnvoll, sich diesen Zweck bewusst zu machen und wie von VIBÖ vorgesehen, genau festzuhalten. Man hält es kaum für möglich, über was man alles streiten kann.
Volle Haftung aller gegenüber dem Auftraggeber
Eine Bau-ARGE in Form einer GesbR besitz auch künftig keine Rechtspersönlichkeit wie etwa eine GmbH. Deshalb muss sie nicht ins Firmenbuch eingetragen werden. Bei Schlechterfüllung haften dem Auftraggeber unmittelbar die Gesellschafter zur gesamten Hand. Das interne Beteiligungsverhältnis (Pkt 2 und 3 VIBÖ-Muster) ist wie bisher für die Haftung nach außen unbeachtlich und zählt nur für die interne Stimmgewichtung und Gewinnverteilung.
Kein Gesellschaftsvermögen aber gemeinsames Gesellschaftervermögen
Die GesBR hat kein eigenes Vermögen. Im Vertrag können aber bestimmte Vermögensgegenstände für die Verfolgung des gemeinsamen GesbR-Zweckes gewidmet werden, damit man sich in der täglichen Arbeit nicht ständig den Kopf zerbrechen muss, wem zB eine bestimmte Maschine gehört (Pkt 10 VIBÖ-Muster). Trotzdem gehören juristisch betrachtet Forderungen den Gesellschaftern zur gesamten Hand (dh sie können nur von allen gemeinsam gefordert werden). Körperliche Sachen wie Maschinen stehen seit der Reform immer im Miteigentum der Gesellschafter (jedem gehört ein Anteil). Alles andere bleibt im Eigentum der einzelnen Gesellschafter.
Möglich ist aber, dass eine körperliche Sache im Eigentum eines Gesellschafters bleibt und der Gesellschaft zum Gebrauch überlassen oder im Innenverhältnis so behandelt wird, als ob sie allen gemeinsam gehört. Diese Unterscheidung wird va bei Auflösung der GesbR oder Ausscheiden eines Mitglieds wichtig und Auslöser für Streitigkeiten.
Achtung: Übersteigt der Jahresumsatz während zwei Jahren 700.000 EUR, muss die GesbR als OG oder KG ins Firmenbuch eingetragen werden (Details in § 189 UGB). Dann gelten die Bestimmungen zu OG und KG.
Achtung: Nachschusspflichten können mit einfacher Mehrheit beschlossen werden, wenn die Fortführung sonst unmöglich wäre. Wer sich nicht durchsetzt, kann austreten. Auftraggeber sollten für diesen Fall verlangen, dass sie keinen wesentlichen Know-How-Träger verlieren.
Änderungen in der Zusammensetzung
Sie sind grundsätzlich nur einvernehmlich möglich. Aus wichtigen Gründen kann ein Gesellschafter ausgeschlossen werden, aber nur vor Gericht.
Ein Privatgläubiger eines Gesellschafters kann die GesbR von außen auflösen, wenn er schon sechs Monate lang erfolglos Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen dieses Gesellschafters führt. In diesen Fällen wird der Anteil am GesbR-Vermögen das einzige verwertbare Vermögen sein. Dann wird die GesbR liquidiert oder die anderen Gesellschafter beschließen die Fortführung. In beiden Fällen erhält der Gläubiger den Abfindungsanspruch des säumigen Gesellschafters.