Zurückbehaltungsrecht vs. Haftrücklass beim Bauträgervertrag

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Das Bauträgervertragsgesetz sieht eine Reihe von Schutz- und Sicherungsinstrumentarien zu Gunsten eines Erwerbers einer noch nicht fertiggestellten Immobilie vor. Das prominenteste und wichtigste Sicherungsinstrument ist die Auszahlung nach Ratenplan mit dem gesetzlichen Haftrücklass. Dabei wird oftmals übersehen, dass allgemein zivilrechtliche Rechtsbehelfe für zweiseitig verpflichtende Verträge, wie das Zurückbehaltungsrecht eines Erwerbers, parallel dazu auch beim Bauträgervertrag nach BTVG bestehen bleiben.

Eine unlängst ergangene Entscheidung des OGH beschäftigt sich mit dem Verhältnis des Haftrücklasses zum Zurückbehaltungsrecht. Der OGH hat neuerlich festgehalten, dass sich diese Rechtsinstrumente einander nicht ausschließen, sondern gleichzeitig bestehen und geltend gemacht werden können. Darüber hinaus hatte der OGH auch über einen Schikane-Einwand hinsichtlich des Zurückbehaltungsrechtes auszusprechen.

Im Folgenden wird ein Überblick über das Zurückbehaltungsrecht und den Haftrücklass beim Bauträgervertrag gegeben sowie das aktuelle Judikat dargelegt.

Allgemeines zum Haftrücklass nach § 4 Abs 4 BTVG

Der Haftrücklass dient der Sicherung allfälliger Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche aufgrund mangelhafter Leistung. Der Bauträger hat dem Erwerber/Werkbestellter im Anwendungsbereich des Bauträgervertragsgesetzes für die Dauer von drei Jahren ab der Übergabe des eigentlichen Vertragsgegenstands einen Haftrücklass einzuräumen.

Der Haftrücklass hat

  • zumindest 2 % des vereinbarten Kaufpreises
  • inklusive des Entgelts für allfällige Sonder- oder Zusatzleistungen des Bauträgers oder vorgegebener Professionisten

zu umfassen. Die im Zuge des Rechtsgeschäftes anfallenden Abgaben und Steuern sowie die Kosten der Vertragserrichtung sind nicht zu berücksichtigen.

Alternativ zum Barhaftrücklass kann eine Haftrücklassgarantie vereinbart werden. Die Haftrücklassgarantie ersetzt den Haftrücklass, führt jedoch sonst zu keiner Veränderung der Rechtspositionen. Die vom Unternehmer bestellte Haftrücklassgarantie gibt dem Erwerber die Möglichkeit, einen Teil des bereits vollständig gezahlten Kaufpreises zurückzuerlangen und damit den bei einer reinen Haftrücklassvereinbarung bestehenden Zustand herzustellen.

Mit der Haftrücklassabrede wird lediglich die Fälligkeit dieses Teils des vom Erwerber geschuldeten Kaufpreises hinausgeschoben. Es soll die Sicherung allgemeiner Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche gewährleistet werden und daher das Risiko des Erwerbers, der im Bauträgergeschäft typischerweise vorauszahlungspflichtig ist, reduziert werden.

Durch die gesetzliche Bestimmung des § 4 Abs 4 BTVG über den Haftrücklass wird jedoch kein „Sondergewährleistungsrecht“ geschaffen. Diese Bestimmung enthält auch keine Regelung über die Beweislast. Mangels einer speziellen Regelung über die Beweislast hat beim Gewährleistungsanspruch im BTVG-Model sohin jede Partei die jeweils für ihren Rechtsstandpunkt erforderlichen Tatsachen zu beweisen; der Erwerber daher Mängel (OGH 25.6.2015, 8 Ob 19/15z).

Allgemeines zum Zurückbehaltungsrecht nach § 1052 ABGB

Das Zurückbehaltungsrecht oder auch Leistungsverweigerungsrecht ist aus der Erwägung hervorgegangen, dass es unbillig wäre, dass ein Vertragspartner zu seiner Leistung verpflichtet wird, während die eigene, ebenfalls fällige Leistung noch aussteht. Dieses Instrumentarium des Zurückbehaltungsrechtes gilt sowohl für den Kauf- und Tauschvertrag als auch für alle zweiseitig verpflichtende Vereinbarungen, wie insbesondere den Werkvertrag.

Das Leistungsverweigerungsrecht des Erwerbers findet seine Rechtfertigung darin, den Unternehmer zu einer geschuldeten Verbesserung seines mangelhaften Werkes zu bewegen. Die Fälligkeit des Werklohns kann jedoch nur so lange hinausgeschoben werden, als ein Verbesserungsanspruch besteht und die Verbesserung im Interesse des Bestellers liegt. Fällt dieses Interesse weg, besteht kein Bedürfnis nach Gewährung eines gänzlichen Leistungsverweigerungsrechts mehr. Wenn eine Verbesserung nicht oder nicht mehr in Betracht kommt, ein durch das Gewährleistungsrecht aufrechter Erfüllungsanspruch gegen den Unternehmer nicht oder nicht mehr besteht, besteht somit auch kein Recht zur Verweigerung der Gegenleistung (RIS-Justiz RS0021925, RS0019929).

§ 1052 ABGB ist grundsätzlich dispositiv und kann daher vertraglich abbedungen werden. Jedoch bestimmt für Verbrauchergeschäfte § 6 Abs 1 Z 6 KSchG und zugunsten von Wohnungseigentumsbewerbern § 38 WEG dessen unabdingbare Geltung. Eine zulässige Abbedingung ist selbst mittels AGB erlaubt, weil nach der Rechtsprechung daraus „keine auffallende Inäquivalenz“ der beiderseitigen Rechtspositionen resultiert. Die Vertragsbestimmungen, die das Leistungsverweigerungsrecht einschränken, sind restriktiv auszulegen. So lässt die Vereinbarung besonderer Zahlungsmodalitäten, insbesondere die eines Haftrücklasses, die Geltung des Leistungsverweigerungsrecht unberührt. Auch eine Abrede, dass Gewährleistungsansprüche nicht zur Kaufpreiszurückhaltung berechtigen, lassen die Berufung auf das Leistungsverweigerungsrecht weiterhin offen.

Zum Schikaneverbot

Das Zurückbehaltungsrecht wird jedoch durch das Schikaneverbot begrenzt. Eine Schikane liegt dann vor, wenn der Vorteil des Bestellers an der Zurückbehaltung des Werklohns in einem offensichtlichen Missverhältnis zum Verbesserungsaufwand des Unternehmers steht. Für die Frage der Unverhältnismäßigkeit des Verbesserungsaufwandes ist nicht allein die Höhe Behebungskosten, sondern vor allem die Wichtigkeit einer Behebung des Mangels für den Besteller zu berücksichtigen (OGH 25.5.2005, 7 Ob 103/05f).

Schikane wird von der Rechtsprechung grundsätzlich nur dann angenommen, wenn der Mängelbehebungsaufwand weniger als 5 % des zurückbehaltenen Betrags ausmacht (OGH 22. 10. 2014, 1 Ob 121/14x mwN)

Aktuelles Judikat OGH 20.1.2021 | 3 Ob 176/20h

Sachverhalt:

Die Erwerberin eines Wohnungseigentumsobjekts hat anlässlich der Übergabe des von ihr von der klagenden Bauträgerin gekauften Wohnungseigentumsobjekts zahlreiche Mängel geltend gemacht. Bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz bestanden – bei einer (den beiden letzten Raten nach dem im Kauf- und Bauträgervertrag vereinbarten Ratenplan B gemäß BTVG entsprechenden) aushaftenden Forderung von 27.445 EUR – nach wie vor verschiedene im Einzelnen festgestellte Mängel, für deren Behebung (in Eigenleistung der Erwerberin) Kosten von insgesamt 4.012 EUR brutto aufzuwenden sind.

Lediglich die Durchführung der von einem Privatgutachter der Klägerin vorgeschlagene Vorgangsweise zur Sanierung eines Mangels, nämlich des Schimmelproblems im Dachboden ihres Objekts, hat die Erwerberin abgelehnt. Aus der zunächst erklärten Ablehnung der Sanierung des Schimmelproblems lässt sich jedoch laut OGH keine Weigerung der Erwerberin ableiten, andere Mängel durch die Bauträgerin verbessern zu lassen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Haftrücklass oder die Haftrücklassgarantie sollen Gewährleistungsansprüche sichern und somit auch den Anspruch des Bestellers/Käufers auf Verbesserung des mangelhaften Werks bzw der mangelhaften Kaufsache. Solange ein Verbesserungsanspruch besteht, wird die Fälligkeit des Werklohns bzw Kaufpreises hinausgeschoben. Die Vereinbarung einer Haftrücklassgarantie hat darauf keinen Einfluss. Der Parteiwille ist regelmäßig allein darauf gerichtet, dass die Haftrücklassgarantie den Haftrücklass ersetzt, während sonst keine Veränderung der Rechtspositionen herbeigeführt werden soll.

Mit dem Haftrücklass soll in erster Linie eine Deckung für zunächst verborgene Mängel geschaffen und ein Hinausschieben der Endabrechnung im Hinblick auf allenfalls noch vorhandene, aber zunächst nicht erkennbare Mängel verhindert werden. Damit wird aber nicht automatisch auf das darüberhinausgehende Leistungsverweigerungsrecht des Bestellers mangels Fälligkeit des Werklohns wegen Unterlassung einer Verbesserung des mangelhaften Werks verzichtet.

Der Werkbesteller/Käufer kann der Werklohn- bzw Kaufpreisklage die Einrede des nicht erfüllten Vertrags auch bei Vorliegen geringfügiger Mängel entgegenhalten, es sei denn, die Ausübung dieses Rechts artet zur Schikane aus.

Das Leistungsverweigerungsrecht des Bestellers/Käufers erlischt, sobald er die Fertigstellung des Werks durch den Unternehmer/Verkäufer verhindert oder unmöglich macht oder wenn er das noch unvollendete Werk von einem Dritten vervollständigen lässt.

Das Zurückbehaltungsrecht der Erwerberin besteht trotz der Tatsache, dass ihr mit Fälligstellung der siebten und letzten Kaufpreisrate (= 2 % Haftrücklass) – zu einem Zeitpunkt, als sie schon zahlreiche Mängel des Objekts gerügt hatte – eine entsprechende Haftrücklassgarantie übermittelt worden war. Beträgt der Verbesserungsaufwand – wie hier – rund 15 % des offenen Werklohns, ist Schikane jedenfalls zu verneinen.

Zusammenfassend

Der Haftrücklass nach BTVG begründet nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung kein „Sondergewährleistungsrecht“ des Erwerbers eines Bauträgerkaufvertrages. Das Zurückbehaltungsrecht bleibt daher weiterhin und unabhängig davon bestehen. Dieses findet lediglich in der Schikane seine Grenzen. Diese Schikane-Grenze ist nach der Rechtsprechung jedoch großzügig zu Gunsten des Erwerbers: Schikane wird erst dann angenommen, wenn der Mängelbehebungsaufwand weniger als 5 % des zurückbehaltenen Betrags ausmacht.

Anna Schimmer
Müller Partner Rechtsanwälte