Wohnraumnutzer, seien es Eigentümer oder Mieter, haben ein natürliches Interesse daran, ihr Hab und Gut entsprechend zu schützen und dabei eine Videoüberwachung zu verwenden. Kürzlich hat sich der Oberste Gerichtshof wieder einmal mit der Frage auseinandergesetzt, ob ein Mieter einer Wohnung berechtigt ist, zum Zweck der Überwachung der von ihm angemieteten Objekte eine Videokamera an der Hauswand außerhalb des Mietobjektes anzubringen. Nunmehr scheint den Überwachungsinteressen eines Mieters mehr Gewicht als bisher geschenkt zu werden. Das Anbringen von Kameras durch Mieter in Bereichen, die außerhalb des Mietobjektes gelegen sind, ist nicht mehr tabu.
Sachverhalt
Der OGH hatte die Frage zu beantworten, ob ein Mieter berechtigt war, zwei Videokameraattrappen an der allgemeinen Hauswand anzubringen. Der Mieter einer Wohnung samt Garten und einem Kfz-Abstellplatz in einer Sammelgarage montierte sowohl an der Außenwand des Hauses im Bereich des mitgemieteten Gartens als auch an der Innenwand der Garage bei dem von ihm gemieteten Kfz-Abstellplatz zwei Videokameraattrappen, die nicht als Attrappen erkennbar waren. Der Vermieter forderte vom Mieter die Entfernung der Videokameraattrappen, weil sie den Eindruck erwecken, dass andere Bereiche als die vom Mieter gemieteten überwacht werden. Vermietet sein nur der Innenraum des Mietgegenstandes. Das Anbringung der Videokamera bzw. Kameraattrappen an nicht vermieteten Teilen des Hauses sei rechtswidrig.
Rechtliches Ergebnis
Der OGH entschied, dass dem Mieter im Rahmen des Mietzwecks auch ein Recht zur Mitbenützung der Außenflächen des Mietobjekts und allgemeiner Flächen des Hauses zugestanden wird, soweit er berechtigte Interessen daran hat und weder das Haus beschädigt oder verunstaltet noch ein Nachbar gestört oder belästigt bzw. sonst in seinen Interessen beeinträchtigt wird. Bei Videokameras bzw. (nicht als solchen erkennbaren) Videokameraattrappen ist entscheidend, dass Hausbewohner durch vermeintliche Überwachungsmaßnahmen nicht gestört oder belästigt werden. Da eine Videokameraattrappe an der Hauswand in Richtung des angemieteten Gartens mit Neigung auf die angemietete Rasenfläche ausgerichtet und die zweite Kamera an der Garagenwand zur Überwachung des angemieteten Kfz-Abstellplatzes so ausgerichtet war, dass nur zwei Garagenbenützer und diese nur in einem eingeschränkten Bereich in den vermeintlichen Erfassungsbereich der Kameraattrappe gelangen, ist der OGH zum Ergebnis gelangt, dass durch diese beiden Kameraattrappen kein unzulässiger Überwachungsdruck gegeben ist. Der Mieter durfte seine Videokameraattrappen an der allgemeinen Hauswand belassen.
Relevante rechtliche Bestimmungen
§ 16 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) räumt jedem Menschen ein Persönlichkeitsrecht auf Achtung seines Privatbereichs und seiner Geheimsphäre ein. Der Persönlichkeitsschutz ist auch in § 1 Datenschutzgesetz (DSG) und Artikel 8 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verankert. Personenbezogene (Bild-)Daten unterliegen diesem Persönlichkeitsschutz und der Geheimhaltung. Dem gegenüber stehen berechtigte Interessen, das Eigentum zu schützen, wie auch durch eine Videoüberwachung.
Ein Hauptmieter ist gemäß § 8 Mietrechtsgesetz (MRG) berechtigt, den Mietgegenstand gemäß dem Vertrag zu gebrauchen und zu benützen. Will der Mieter eines, dem Vollanwendungsbereich des MRG unterliegenden Mietobjektes eine Veränderung am Mietgegenstand vornehmen, zB eine Videokamera installieren, so hat er diese Veränderung gemäß § 9 MRG dem Vermieter anzuzeigen. Verweigert der Vermieter seine Zustimmung, hat der Mieter unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, die Zustimmung des Vermieters durch das Gericht ersetzen zu lassen. Bei der Genehmigung von Veränderungen am Mietgegenstand hat der Vermieter auch Interessensbeeinträchtigungen seiner Mieter zu verhindern. Frühere Judikatur hat das Anbringen von Videokameras oder Videokameraattrappen in Allgemeinbereichen, wo auch andere Mieter erfasst werden könnten, im Hinblick auf einen möglichen Überwachungsdruck auf einen Hausbewohner als nicht zulässig erachtet.
Das nun vorliegende Judikat stellt – wie auch schon vorangegangene Judikate – klar, dass die Rechte des Mieters, auch wenn gemäß Mietvertrag nur der Innenraum vermietet ist, nicht auf diesen beschränkt sind und dem Mieter im Rahmen des Bestandzwecks auch ein Recht zur Mitbenützung der Außenflächen und allgemeinen Flächen des Hauses zugestanden wird. Das Anbringen einer Videokamera oder Videokameraattrappe darf jedenfalls nicht dazu führen, dass sich andere Hausbewohner immer kontrolliert fühlen, weil sie das Haus verlassen oder betreten oder sich im Garten aufhalten. Können diese Personen etwa durch den Standort oder die Ausrichtung einer Videokamera oder einer (nicht als solche erkennbaren) Videokameraattrappe die berechtigte Befürchtung haben, dass sie sich im Überwachungsbereich befinden und von den Aufnahmen bzw. Aufzeichnungen erfasst sind, so ist ein Eingriff in die Privatsphäre grundsätzlich zu bejahen. In diesem Fall hat eine Interessensabwägung stattzufinden. Die Anbringung einer Kameraattrappe, die sich für einen unbefangenen, objektiven Betrachter als Überwachungsmaßnahme darstellt, ist im Allgemeinen zulässig, wenn sich diese Maßnahme nach Maßgabe des Eindrucks für einen solchen Betrachter ausschließlich auf den eigenen Wohn- bzw. Garagenbereich bezieht. Ob für andere Personen, die zum Haus zugehen oder diese verlassen oder die allgemeinen Teile des Hauses oder andere Mietobjekte benützen, ein Überwachungsdruck entstehen kann, richtet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Im entscheidungsgegenständlichen Fall gelangten zwei andere als der die Videokameraattrappen installierende Mieter in den Erfassungsbereich der Kameraattrappe. Die Kameraattrappe war derart situiert und ausgerichtet, dass eine funktionierende Kamera nur die Unterschenkel der vorbeigehenden Garagenbenützer erfasst hätte. Aus diesem Grund hat der OGH einen unzulässigen Überwachungsdruck verneint, sodass die Kameraattrappen zugelassen wurden und der Vermieter das Anbringen durch den Mieter selbst in den allgemeinen Hausbereichen nicht verhindern konnte. Erstmals wurde eine Kamera(attrappe) dort zugelassen, wo sie auch andere Hausbewohner, wenn auch nur bei den Beinen, erfassen kann. Dass die Frage eines Überwachungsdruckes zugunsten des die Kamera installierenden Mieters ganz genau, hier nämlich aufgrund des Ausrichtungswinkels der Kamera(attrappe), untersucht wurde, ist neu und deutet auf eine Videokamera-freundlichere höchstgerichtliche Beurteilung als bisher. Genaueres wird man erst anhand der zukünftigen höchstgerichtlichen Judikatur sagen können.
Hinweis auf datenschutzrechtliche Bestimmungen
Die Videoüberwachung ist in den §§ 50a ff DSG geregelt. Sie unterliegt grundsätzlich der Meldepflicht, es sei denn, es liegt eine im DSG ausdrücklich geregelte Ausnahme vor.
Fazit
Das Installieren einer Videokamera zum Schutz des eigenen Wohnraumes vor Einbrechern stellt eine Maßnahme dar, die in Rechte anderer eingreifen und eine datenschutzrechtliche Meldung erfordern kann. Um unliebsamen Überraschungen vorzubeugen, ist eine rechtliche Prüfung erforderlich, die sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls richtet.
Quellen
- OGH vom 26.06.2014, 8 Ob 47/14s
- OGH vom 17.12.2013, 5 Ob 69/13b
- OGH vom 20.01.2012, 8 Ob 125/11g
- Prader, Mietrechtsgesetz und ABGB-Mietrecht4
- Pollirer/Weiss/Knyrim, Datenschutzgesetz²