Der Sommer des Jahres 2013 war in Österreich nicht nur durch besondere Hitze einschließlich des örtlichen Erreichens neuer Hitzerekorde von mehr als 40 Grad Celsius, sondern auch von zwei Großinsolvenzen – Alpine und daily – gekennzeichnet, die ebenfalls vielfach zu Schweißausbrüchen und hitzigen Diskussionen geführt haben.
Gerade die Bau- und Immobilienbranche war und ist von diesen beiden Großinsolvenzen in besonderem Maße betroffen: Lieferanten und Werkunternehmer bangen um ihr Entgelt und ihren Werklohn, Auftraggeber sind mit dem Ausfall ihres Vertragspartners konfrontiert, die termingerechte Fertigstellung von Projekten ist gefährdet, zahlreiche Bestandobjekte – oftmals in Randlagen – stehen leer, Banken haben Ausfälle aus gewährten Krediten und beigestellten Bankgarantien zu verzeichnen, Dienstnehmer haben – zumindest vorübergehend – ihre Arbeitsplätze verloren, etc.
Aus diesem Grund soll mit dem vorliegenden Beitrag ein kurzer Abriss über wesentliche Aspekte des Insolvenzverfahrens, insbesondere für den Zeitraum um dessen Eröffnung, gegeben werden, wobei jedoch aufgrund der Vielschichtigkeit der Materie hier nur ein grundsätzlicher Überblick geboten werden kann, der eine detaillierte rechtliche Begleitung im Ernstfall nicht zu ersetzen vermag.
Ein Insolvenzverfahren ist grundsätzlich bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Schuldners zu eröffnen, wobei sowohl der Schuldner selbst als auch Gläubiger den Antrag auf Verfahrenseröffnung stellen können.
Die Insolvenzeröffnung wird durch das für den Schuldner zuständige Insolvenzgericht öffentlich – in der Insolvenzdatei (www.edikte.justiz.gv.at) – bekannt gemacht.
Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird das Vermögen des Schuldners idR dessen freier Verfügung entzogen. Vielmehr soll dieses Vermögen entsprechend den Bestimmungen der Insolvenzordnung zur geordneten und grundsätzlich gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger dienen.
Daher sind nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich auch Rechtshandlungen des Schuldners, die die Insolvenzmasse betreffen, den Insolvenzgläubigern gegenüber unwirksam. Umgekehrt können nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Schulden mit schuldbefreiender Wirkung grundsätzlich nicht mehr an den Schuldner, sondern nur noch an die Insolvenzmasse – dh zB an den Masseverwalter – bezahlt werden.
Sobald Gerüchte über die schlechte wirtschaftliche Lage oder gar Insolvenz eines Geschäftspartners kursieren, sollte daher ein regelmäßiger Blick in die – im Internet abrufbare – Insolvenzdatei unternommen werden, um zu verhindern, dass Zahlungen an den „falschen“ erfolgen und somit nicht schuldbefreiend wirken, unter dem Verdikt der Unwirksamkeit stehende Vereinbarungen abgeschlossen werden, usw.
Durch die Insolvenzeröffnung tritt weiters eine Prozesssperre ein, wonach die klageweise Geltendmachung von Ansprüchen auf das zur Insolvenzmasse gehörige Vermögen grundsätzlich nicht mehr möglich ist. Bereits gerichtsanhängige Rechtsstreitigkeiten, in denen der insolvente Schuldner entweder Kläger oder Beklagter ist, werden durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich unterbrochen. Solcherart unterbrochene Verfahren können insbesondere vom Insolvenzverwalter und vom Prozessgegner wieder aufgenommen werden, wobei jedoch bei Ansprüchen, die der Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren unterliegen, das Verfahren erst nach Abschluss der Prüfungstagsatzung aufgenommen werden kann.
Die öffentliche Bekanntmachung der Insolvenzeröffnung in der Insolvenzdatei enthält nicht nur Angaben zur Person des Insolvenz-/Masseverwalters und dessen Stellvertreter, sondern bestimmt insbesondere auch eine sogenannte Anmeldungsfrist. Bis zum Ablauf dieser Frist sind Forderungen gegen den insolventen Schuldner grundsätzlich im Insolvenzverfahren beim zuständigen Insolvenzgericht anzumelden. Wenngleich es sich bei der Anmeldungsfrist um keine Fallfrist handelt, kann deren Versäumnis dennoch zu Kostenfolgen bis hin zum Unterbleiben der Berücksichtigung der Forderung im Insolvenzverfahren führen.
Bis zu der – ebenfalls in der Insolvenzdatei festgelegten – Prüfungstagsatzung hat der Insolvenzverwalter die angemeldeten Forderungen zu prüfen und zu entscheiden, ob diese anerkannt – das heißt im Insolvenzverfahren festgestellt – oder bestritten werden. Im Falle des Anerkenntnisses einer angemeldeten Insolvenzforderung hat der Gläubiger Anspruch auf anteilige Befriedigung im Ausmaß der im Insolvenzverfahren letztendlich erzielbaren Quote. Bestreitet hingegen der Masseverwalter eine angemeldete Insolvenzforderung, so muss der Gläubiger grundsätzlich binnen der vom Insolvenzgericht zu bestimmenden Frist eine Klage auf Feststellung dieser Forderung erheben oder einen bereits vor Insolvenzeröffnung eingeleiteten, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens jedoch unterbrochenen, Prozess fortsetzen. Ist der Gläubiger in einem solchen Verfahren, das gegen den Masseverwalter zu führen ist, erfolgreich, so gilt seine Forderung ebenfalls als festgestellt und wird quotenmäßig befriedigt.
Eine Sonderstellung bei der Gläubigerbefriedigung genießen freilich sog. Masseforderungen (zB Ansprüche auf Erfüllung zweiseitiger Verträge, in die der Masseverwalter eingetreten ist; laufendes Entgelt von Arbeitnehmern nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens) sowie Absonderungs- und Aussonderungsrechte (zB Eigentum eines Dritten in der Insolvenzmasse, Pfandrechte eines Gläubigers), deren Behandlung hier jedoch den Rahmen sprengen würde.
Das Insolvenzverfahren bezweckt – wie bereits gesagt – die grundsätzlich gleichmäßige Befriedigung der (Insolvenz-)Gläubiger. Zu diesem Zweck hat der Insolvenzverwalter das zur Insolvenzmasse gehörige Vermögen zu verwalten und zu verwerten. Dazu zählt insbesondere auch, dass der Insolvenzverwalter das Unternehmen des Schuldners – zunächst grundsätzlich bis zur Berichtstagsatzung – fortzuführen hat. Hingegen ist das Unternehmen des Schuldner zu schließen, wenn dessen Fortführung eine Erhöhung des Ausfalls bewirken würde. Dies war etwa bei der Insolvenz der Alpine der Fall, nachdem bereits fünf Tage nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Schließung des Unternehmens angeordnet wurde.
Damit das Unternehmen des Schuldners im Insolvenzverfahren – zumindest vorerst – fortgeführt werden kann, ist es erforderlich, dass dem Insolvenzverwalter die primäre Dispositionsbefugnis über die hiezu erforderlichen Verträge – zB Mietverträge, Dienstverträge, Kauf- und Werkverträge – erhalten bleibt.
Demnach bestimmt die Insolvenzordnung, dass die vertragliche Vereinbarung eines Rücktritts- oder Vertragsauflösungsrechtes für den Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens unzulässig ist. Das bedeutet, dass der Gläubiger nicht berechtigt ist, ein Vertragsverhältnis nur aufgrund der Tatsache der Insolvenzeröffnung vorzeitig zu beenden. Darüber hinaus gilt, dass, wenn eine Vertragsauflösung die Fortführung des Unternehmens gefährden könnte, Vertragspartner des Schuldners die mit dem Schuldner geschlossenen Verträge bis zum Ablauf von sechs Monaten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur aus wichtigen Gründen auflösen können. Ausdrücklich ist dazu jedoch angeordnet, dass die Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation des Schuldners und ein Verzug des Schuldners mit der Erfüllung von vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig gewordenen Forderungen nicht als wichtiger Grund zu qualifizieren ist.
Demgegenüber steht dem Insolvenzverwalter bei zweiseitigen, noch nicht oder nicht vollständig erfüllten Verträgen (zB bei noch nicht oder nicht vollständig erfüllten Werkverträgen) das Wahlrecht zu, den Vertrag entweder zu erfüllen und auch vom Vertragspartner des Schuldners die Erfüllung zu verla
ngen, oder vom Vertrag zurückzutreten. Bis zu Erklärung eines allfälligen Rücktritts durch den Insolvenzverwalter besteht für den Vertragspartner des Schuldners ein Schwebezustand, der mit faktischen Unsicherheiten und Nachteilen verbunden sein kann. So wussten etwa im Insolvenzverfahren der Alpine anfangs zahlreiche Bauherren nicht, ob die abgeschlossenen Werkverträge trotz Insolvenzeröffnung erfüllt – und somit ihre Bauvorhaben rechtzeitig fertig gestellt – werden. Um diese Unsicherheit für die Vertragspartner des Schuldners zeitlich zu begrenzen, sieht die Insolvenzordnung die Möglichkeit vor, dem Insolvenzverwalter eine Frist zu setzen bzw durch das Insolvenzgericht setzen zu lassen, binnen der er sich über die Fortsetzung / Beendigung des Vertragsverhältnisses zu erklären hat. Erklärt sich der Insolvenzverwalter binnen der gesetzlich jeweils anwendbaren Frist nicht, wird ex lege angenommen, dass er vom Vertragsverhältnis zurücktritt.
Besondere Beendigungsmöglichkeiten räumt die Insolvenzordnung dem Insolvenzverwalter auch bei Bestandverträgen (Miet- oder Pachtverträgen) und bei Dienstverträgen ein.
Wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, ist – gerade auch im Bau- und Immobilienbereich – die Insolvenz eines Unternehmens im Regelfall nicht nur mit zum Teil erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen für die Vertragspartner, sondern auch mit zahlreichen zur Anspruchswahrung zu beachtenden juristischen Fallstricken verbunden.
Sobald die schlechte wirtschaftliche Situation eines Vertragspartners ruchbar, oder gar das Insolvenzverfahren über diesen eröffnet wird, sollte daher das weitere Vorgehen rechtlich sorgfältig überlegt und abgestimmt werden.