Die Anwendung des falschen Kollektivvertrages, der niedrigere Lohnkosten vorsieht, als der eigentlich anzuwendende Kollektivvertrag kann in einem Vergabeverfahren nach dem Bundesvergabegesetz (in der Folge kurz: „BVergG“) zum Ausscheiden des Angebotes führen.
Ein Sektorenauftraggeber führte ein Vergabeverfahren in Wien durch, um Auftragnehmer für laufende Gartengestaltungsarbeiten für einen Rahmenvertrag für 2 Jahre zu ermitteln. Auftragsgegenstand war die Erbringung verschiedener gärtnerischer Dienstleistungen, wie insbesondere, Grünschnitt, Sicherheitsschnitt bei Bäumen und Sträucher, Rodungen, Ersatzpflanzungen, Baumüberprüfungen etc. Das Unternehmen, welches den Auftrag erhalten sollte, ist eine eingetragene Genossenschaft mit Sitz in Niederösterreich. Sie hat ihren eigenen Kollektivvertrag, der auf der NÖ Landarbeitsordnung basiert. Sein räumlicher Wirkungsbereich beschränkt sich auf das Bundesland Niederösterreich.
Gültigkeit Kollektivertrag nach der NÖ Landarbeitsordnung
Die NÖ Landarbeitsordnung gilt für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft, welche ihre eigenen Erzeugnisse verarbeiten. Darunter fallen insbesondere folgende Tätigkeiten: die Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse, Wein- und Obstbau, Hervorbringung von Blumen, Gemüse, Baumschulen, Haltung und Zucht von Nutztieren und Gewinnung tierischer Erzeugnisse.
Die konkrete Ausschreibung beinhaltet aber Gartengestaltungsarbeiten, die nicht unter diese in der NÖ Landarbeitsordnung aufgezählten Tätigkeiten fallen. Die eingetragene Genossenschaft ist nach eigenen Angaben auch nicht in diesen Bereichen tätig. Sie erbringt Dienstleistungen vorallem im Winterdienst und im Bereich gärtnerischer Tätigkeiten.
Gemäß § 39k Abs 1 NÖ Landarbeitsordnung ist für Betriebe, die ausschließlich andere Leistungen, als die genannten erbringen, die Landarbeitsordnung und darauf basierende Kollektiverträge nicht anwendbar.
Dabei ist auch zu bedenken, dass der auf der NÖ Landarbeitsordnung basierende Kollektivvertrag auch nach verfassungsrechtlichen Überlegungen nicht auf Arbeitsverhältnisse für gewerbliche Gärtnerarbeiten angewendet werden darf. Denn Arbeitsrecht für gewerbliche Betriebe ist nach Art. 10 Abs 1 Z 11 B-VG in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache. Arbeitsrecht für land- und forstwirtschaftliche Betriebe ist hingegen gemäß Art. 11 Abs 1 Z 9 B-VG in Gesetzgebung Bundessache und in Vollziehung Landessache.
Rechtlich folgt daraus, dass die eingetragene Genossenschaft nicht ihren eigenen Kollektivvertrag nach der NÖ Landarbeitsordnung anwenden darf, sondern den Kollektivvertrag für ArbeiterInnen der gewerblichen Gärtner- und Landschaftsgärtnerbetriebe anwenden muss.
Unterschied zu Kollektivertrag der gewerblichen Gärtner- und Landschaftsgärtnerbetriebe
Der Kollektivertrag der gewerblichen Gärtner- und Landschaftsgärtnerbetriebe stützt sich auf das Arbeitsverfassungsgesetz und sieht einen um etwa 1/3 höheren Kollektivvertragslohn vor, als der Kollektivertrag der eingetragenen Genossenschaft. Darüber hinaus sind nach diesem Kollektivertrag zusätzliche Lohnkosten, wie Taggelder, Fahrtkostenersatz und weiteres an die ArbeiterInnen zu bezahlen.
Konsequenz im Vergabeverfahren
Da die eingetragene Genossenschaft ihr Angebot im Vergabeverfahren nach den deutlich günstigeren Lohnkosten des eigenen Kollektivertrages kalkulierte, ist das Angebot nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes Wien nicht kostendeckend kalkuliert. Denn die eingetragene Genossenschaft ist zur Einhaltung der einschlägigen arbeits- und sozialrechtlichen Bestimmungen verpflichtet und hat die Lohnkosten nach dem tatsächlich anzuwendenden Kollektivertrag der gewerblichen Gärtner- und Landschaftsgärtnerbetriebe zu bezahlen. Das Angebot der eingetragenen Genossenschaft ist daher nicht zuschlagsfähig und vom Vergabeverfahren gemäß § 302 Abs 1 Z 3 BVergG 2018 wegen nicht plausibler Zusammensetzung des Gesamtpreises auszuscheiden.
Die Zuschlagsentscheidung zu Gunsten der eingetragenen Genossenschaft wurde vom Verwaltungsgericht Wien mit Erkenntnis vom 4.2.2021 für nichtig erklärt.