Die Vertragsparteien legen Bauverträgen und anderen Werkverträgen in vielen Fällen einen Kostenvoranschlag zugrunde. In der Praxis stellt sich die Frage, ob der Auftragnehmer ein zusätzliches Entgelt verlangen kann, wenn die tatsächlich entstandenen Kosten den Betrag, der im Kostenvoranschlag ausgewiesen wird, übersteigen. In einer jüngst ergangenen Entscheidung hatte sich der OGH mit diesem Thema auseinanderzusetzen.
Garantierter und unverbindlicher Kostenvoranschlag
Nach der Rechtsprechung des OGH kennzeichnet einen Kostenvoranschlag die Zergliederung der mutmaßlichen Kosten unter ausführlicher Berechnung der einzelnen Ansätze nach Arbeitskosten, Materialkosten usw. (OGH 1 Ob 546/82, SZ 55/83). Generell ist zwischen einem garantierten Kostenvoranschlag und einem unverbindlichen Kostenvoranschlag zu unterscheiden. Beim garantierten Kostenvoranschlag gewährleistet der Auftragnehmer ausdrücklich die Richtigkeit des Kostenvoranschlages. Liegt dem Werkvertrag ein garantierter Kostenvoranschlag zugrunde, kann der Auftragnehmer daher keine Mehrkosten verlangen, wenn die tatsächlichen Kosten die ursprünglich kalkulierten und angebotenen Kosten übersteigen.
Ein unverbindlicher Kostenvoranschlag ohne Richtigkeitsgewähr liegt nach der Rechtsprechung des OGH insbesondere dann vor, wenn die Angaben, die der Kalkulation zu Grunde liegen, vom Auftraggeber stammen. Daher dient ein unverbindlicher Kostenvoranschlag in erster Linie der unverbindlichen Orientierung des Auftraggebers über die zu erwartenden Kosten. Der Auftraggeber muss daher unbeträchtliche Kostenüberschreitungen auch beim Unterbleiben einer Anzeige des Auftragnehmers akzeptieren. Erweist sich allerdings eine beträchtliche Überschreitung des Kostenvoranschlages als unvermeidlich, hat der Auftragnehmer dem Auftraggeber diesen Umstand unverzüglich anzuzeigen (§ 1170a Abs. 1 ABGB). Der Auftragnehmer hat keinen Anspruch auf jene Kosten, welche die angebotenen Kosten übersteigen.
Überschreitung des Kostenvoranschlages
Der Auftraggeber kann unter angemessener Vergütung der bisherigen Leistungen des Auftragnehmers vom Werkvertrag zurücktreten, sobald sich eine beträchtliche Überschreitung des Kostenvoranschlages als unvermeidlich erweist (§ 1170a Abs. 2 ABGB). Aus diesem Grund ist der Auftragnehmer verpflichtet, die eingetretene beträchtliche Überschreitung anzuzeigen. Nach der Rechtsprechung des OGH kommt es bei der Anzeigepflicht des Auftragnehmers nicht auf die Überschreitung des Kostenvoranschlages in einzelnen Positionen, sondern auf die Überschreitung der Endsumme an (OGH 8 Ob 139/05g, bbl 2006/127). Die Vertragsparteien können allerdings auch abweichende Regelungen treffen, wovon in der Praxis in vielen Fällen Gebrauch gemacht wird.
Auf die Gründe der Überschreitung des Voranschlages kommt es nicht an. Nach der Rechtsprechung des OGH spielt es insbesondere keine ausschlaggebende Rolle, ob die Überschreitung auf notwendige Mehrarbeiten oder auf ein Steigen der Rohstoffpreise und Löhne zurückgeht. Die Folge der Unterlassung der unverzüglichen Anzeige ist der Verlust jedes Mehrvergütungsanspruches. Dieser Verlust soll nach der ständigen Rechtsprechung des OGH auch dann eintreten, wenn der Auftraggeber den Abschluss von Lohnabkommen und Preisabkommen den öffentlichen Verlautbarungen entnehmen konnte (OGH 2 Ob 483/53, SZ 26/234). Erweist sich ein zusätzlicher oder andersartiger Aufwand an Arbeit und Material als unvermeidlich, dann genügt das Einverständnis des Bestellers mit diesem zusätzlichen oder andersartigen Aufwand allein noch nicht, um annehmen zu können, der Besteller habe damit die Mehrkosten ungeachtet des Unterbleibens einer Anzeige des Unternehmers übernehmen wollen. Der Besteller muss nach der Rechtsprechung des OGH zweifelsfrei einer Vertragsänderung sowohl hinsichtlich des herzustellenden Werkes als auch hinsichtlich des dafür gebührenden Werklohnes zustimmen (OGH, 12.04.1988, 4 Ob 511/88).
Sind allerdings die entstandenen Mehrkosten auf Umstände in der Bestellersphäre zurückzuführen, ist die unverzügliche Anzeige einer unvermeidlichen beträchtlichen Überschreitung zur Wahrung des Anspruches auf die Mehrkosten sowohl beim garantierten als auch beim unverbindlichen Kostenvoranschlag entbehrlich (OGH 5 Ob 519/85, RdW 1985,305). In einer jüngst ergangenen Entscheidung hatte sich der Oberste Gerichtshof mit einer derartigen Konstellation auseinanderzusetzen.
Entscheidung des OGH, 17.09.2014, 4 Ob 128/14y
Der Sachverhalt wird in der Entscheidung nur verkürzt wiedergegeben. Soweit aus der Entscheidung ersichtlich, wiesen die Vorinstanzen die Klage auf Zahlung restlichen Werklohns wegen diverser Mehr- und Zusatzleistungen mit der Begründung ab, der klagende Auftragnehmer habe die beträchtliche Überschreitung des Kostenvoranschlags dem beklagten Auftraggeber nicht mitgeteilt und darüber hinaus eine nicht nachvollziehbare Rechnung gelegt. Der Werklohn sei daher mangels ordnungsgemäßer Rechnungslegung nicht fällig geworden. Der Entgeltanspruch des Auftragnehmers beruhte auf den behaupteten Mehrkosten für das dem Kostenvoranschlag und dem Auftrag zugrunde liegende Werk und auf vom Beklagten über den ursprünglichen Auftrag hinausgehend beauftragten Zusatzleistungen. Der OGH hielt fest, dass der Auftragnehmer selbst bei einem Kostenvorschlag ohne Gewährleistung eine beträchtliche Überschreitung unverzüglich anzeigen muss. Unterlässt er dies, verwirkt er jeden Anspruch wegen Mehrarbeit, selbst dann, wenn der Auftraggeber eine beträchtliche Überschreitung des Kostenvoranschlags aus den Umständen vermuten musste.
Nur wenn die Umstände, die zu Mehraufwendungen führen, in der Sphäre des Bestellers liegen, ist die unverzügliche Anzeige der Überschreitung des Kostenvoranschlags entbehrlich. Im vorliegenden Fall stand allerdings aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens und des festgestellten Sachverhalts fest, dass die Mehrkosten zum überwiegenden Teil nicht auf erteilte Zusatzaufträge zurückzuführen waren, sondern auf Umständen beruhten, die aus der Unternehmersphäre stammten. Der OGH bezog sich dabei auf unrichtige Massen- und Mengenkalkulation im Leistungsverzeichnis und auf für den Besteller nicht vorhersehbare Umständen wie zB. Erschwernisse für Materialtransport, Arbeiten in Überhöhen, abschnittsweises Arbeiten. Der OGH verneinte, dass die Überschreitung des Kostenvoranschlages durch in die Bestellersphäre fallende Zusatzaufträge verursacht wurde und verwies auf den festgestellten Sachverhalt der Vorinstanzen.
Fazit
Die Entscheidung des OGH zeigt, dass der Einwand, wonach die Mehrkosten gegenüber dem Grundauftrag aus der Bestellersphäre stammen würden, im Einzelfall konkret nachgewiesen werden muss, um den Anspruchsverlust wegen einer erheblichen Kostenüberschreitung zu verhindern. Um nachteilige Folgen zu vermeiden, ist daher generell zu empfehlen, im Rahmen eines professionellen Projektmanagements auch geringfügige Kostenüberschreitungen genau im Auge zu behalten, erhebliche Überschreitungen rechtzeitig anzuzeigen und diese Anzeigen entsprechend zu dokumentieren. Sind einzelne Kostenüberschreitungen auf Ursachen aus der Sphäre des Auftraggebers zurückzuführen, sind auch diese Umstände genau zu dokumentieren.