Öffentliche Auftraggeber dürfen Aufträge nur an zur Leistungserbringung befugte Unternehmer vergeben. Oftmals übersehen die Bieter dabei, dass gewisse Leistungsteile nicht von ihrer gewerblichen Berechtigung umfasst sind. Auf Basis der sogenannten „gewerblichen Nebenrechte“ gemäß § 32 Gewerbeordnung (GewO) sind sie allerdings befugt, in geringem Umfang Leistungen anderer Gewerbe zu erbringen, die eigene Leistungen wirtschaftlich sinnvoll ergänzen. Was unter Leistungen in geringem Umfang zu verstehen ist und wie man diese Leistungsteile berechnet, wird im Folgenden anhand der aktuellen Spruchpraxis des Vergabekontrollsenats Wien (VKS Wien) erläutert.
Das Bundesvergabegesetz 2006 (in der Folge „BVergG“) legt als einen fundamentalen Grundsatz der öffentlichen Auftragsvergabe fest, dass Vergaben an befugte, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmer zu angemessenen Preisen zu erfolgen haben. Auftragnehmer müssen demnach befugt sein, die von ihnen angebotene Leistung zu erbringen. Unter Befugnis wird die bei reglementierten Tätigkeiten die erforderliche Qualifikation oder Berufsberechtigung angesprochen, somit die gewerberechtliche Zulässigkeit der Leistungserbringung.
Fehlende Befugnis – was nun?
Immer wieder übersehen Auftragnehmer, dass geringfügige Leistungen ausgeschrieben sind, für die sie über keine Gewerbeberechtigung verfügen, zu deren Erbringung sie also nicht befugt sind. Wenn sie die Befugnis nicht durch Nennung eines Subunternehmers substituiert haben, ist das Angebot grundsätzlich gemäß § 129 Abs 2 BVergG zwingend auszuscheiden. Ein Rettungsanker kann in diesen Fällen das Nebenrecht im Sinne des § 32 GewO sein. Gemäß § 32 GewO sind Gewerbetreibende berechtigt, in geringem Umfang Leistungen anderer Gewerbe zu erbringen, die die eigenen Leistungen wirtschaftlich sinnvoll ergänzen.
Neue Rechtsprechung
Die Frage, was unter einer geringfügigen, die eigene Leistung sinnvoll ergänzende, Leistung anderer Gewerbe zu verstehen ist, ist im Einzelfall zu prüfen. Der VwGH stellte bereits im Jahr 2010 bei der Beurteilung der Geringfügigkeit ausschließlich auf quantitative Merkmale ab, qualitative Umstände wie etwa die Wesentlichkeit der Leistung sind nicht entscheidend. Die Geringfügigkeit der Leistung wird im Verhältnis zur Gesamtleistung beurteilt. Die Rechtsprechung, bis zu welchem Anteil eine Leistung noch als geringfügig zu beurteilen ist, ist uneinheitlich. Die Literatur nimmt Geringfügigkeit dann an, wenn diese Leistungen ca. 10% der Gesamtauftragssumme nicht überschreiten.
Unklar war bis vor kurzem, wie der Wert der betroffenen Nebenleistung im Verhältnis zur Gesamtleistung berechnet wird. Der VKS Wien hat nun zu dieser Rechtsfrage näher Stellung genommen (VKS-6723/12). In diesem Verfahren war zu klären, ob die präsumtive Zuschlagsempfängerin als Baumeister über die notwendige Befugnis für die Erbringung der vom Leistungsumfang umfassten Pflastererarbeiten verfügt. Der Gesamtwert der Pflasterarbeiten beträgt etwa 10% der Gesamtauftragssumme. Der VKS sprach – der Argumentation der präsumtiven Zuschlagsempfängerin folgend – aus, dass vom Wert der Nebenleistung die auf Materialkosten und Vorleistungen entfallenden Anteile herauszurechnen sind. Der VKS Wien hielt in seiner Begründung fest, dass keine eigene gewerberechtliche Befugnis zum Erwerb der Pflastersteine notwendig ist. Dadurch reduzierte sich der auf diese Leistungsgruppe entfallene Anteil auf die darauf entfallenden reinen Lohnkosten und anteiligen Kosten und somit um beinahe die Hälfte.
Zusammenfassung
Der VKS Wien stellte klar, dass für die Bewertung der Geringfügigkeit und somit der Zulässigkeit der Leistungserbringung nur jene Positionen relevant sind, die tatsächlich nur von einem anderen Gewerbe erbracht werden dürfen. Bloßer Materialeinkauf und die Durchführung von Vorarbeiten, die auch vom eigenen Gewerbeumfang umfasst sind, sind in die Berechnung des Wertes der Nebenleistung nicht miteinzubeziehen. Zukünftig sollten sich Auftragnehmer daher nicht nur die Frage stellen, wie hoch der Wert der Nebenleistung ist, sondern auch, ob in der Nebenleistung Leistungen enthalten sind, die von ihrer Gewerbeberechtigung umfasst sind. Auf Basis dieser Judikatur erweitert sich daher der Umfang der gewerblichen Nebenrechte erheblich.