Fassade, Dach, Allgemeinflächen wie Gänge oder Keller, Fenster, Türen, Außenanlagen, Aufzüge und andere technische Anlagen – Eigentümer eines Gebäudes sind verpflichtet dessen Bauzustand zu überwachen und damit im Rahmen der Gebäudesicherheit mit beachtlichen Prüf- und Kontrollpflichten konfrontiert. Die ÖNORM B 1300 möchte zu einer Standardisierung solcher Sicherheitsüberprüfungen beitragen und so eine Grundlage für die rechtzeitige Erkennung von Gefahrenpotential schaffen.
Gebäudeeigentümer haben ex lege den Bauzustand ihres Bauwerks zu überwachen, so normiert etwa § 129 Abs 2 der Wiener Bauordnung, dass Eigentümer dafür zu sorgen haben, dass Bauwerke in einem guten, der Baubewilligung und den Vorschriften der Bauordnung entsprechendem Zustand erhalten werden.
Mit der Bauordnungsnovelle 2014 wurde diese Bestimmung zudem um eine Dokumentationspflicht hinsichtlich durchgeführter Instandhaltungsmaßnahmen, soweit diese öffentliche Interessen, wie beispielsweise Interessen der Sicherheit oder des Stadtbildes, berühren, für – auch bereits bestehende – Gebäude mit mehr als zwei Hauptgeschoßen ergänzt.
§ 129 Abs 5 der Wiener Bauordnung bestimmte darüber hinaus schon bisher ausdrücklich, dass Eigentümer eines Bauwerkes verpflichtet sind, dessen Bauzustand zu überwachen und bei Vorliegen eines vermuteten Baugebrechens, den Befund eines Sachverständigen einzuholen. Allerdings mussten solche Überprüfungsmaßnahmen bislang weder dokumentiert noch gegenüber der Baubehörde nachgewiesen werden.
Der ebenfalls mit der Bauordnungsnovelle 2014 eingeführte § 128 a, verpflichtet unter gewissen Voraussetzungen Eigentümer eines Gebäudes auch dazu, unbeschadet deren Überprüfungspflicht gemäß § 129 Abs 5, Bauteile, von denen bei Verschlechterung ihres Zustandes eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Menschen ausgehen kann, wie insbesondere Tragwerke, Fassaden, Dächer, Geländer oder Brüstungen, einer regelmäßigen Überprüfung zu unterziehen und die Ergebnisse dieser Überprüfungen in einem zu erstellenden Bauwerksbuch zu dokumentieren. Erstmalig zu erstellen ist ein solches Bauwerksbuches grundsätzlich im Rahmen der Fertigstellung eines baubewilligungspflichtigen Neu-, Zu- oder Umbaues eines Gebäudes mit mehr als zwei Hauptgeschossen und zwar durch einen vom Bauwerber und Bauführer verschiedenen Ziviltechniker oder gerichtlich beeideten Sachverständigen für das einschlägige Fachgebiet.
Derartige Überprüfungs-, Dokumentations- und Erhaltungspflichten können aber nicht nur aus dem öffentlichen Recht resultieren, sondern auch zivilrechtlichen Ursprungs sein.
Verletzt ein Gebäudeeigentümer seine Überprüfungs- und Erhaltungsobliegenheiten und kommt es – zB durch mangelhafte Handläufe, schadhafte elektrische Leitungen oder gar herabstürzende Fassadenteile – zu einem Schadensfall, so kann der Gebäudeeigentümer hiefür auch zivilrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.
In der Praxis können den Gebäudeeigentümer in einem solchen Fall etwa vertragliche Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber Mietern oder Pächtern treffen. Hinzu tritt, dass die höchstgerichtliche Rechtsprechung unter gewissen Voraussetzungen Miet- und Pachtverträge als Verträge mit Schutzwirkung zugunsten Dritter – etwa zugunsten der Besucher oder Kunden des Mieters oder Pächters – auslegt und der Gebäudeeigentümer so auch gegenüber weiteren Personen in eine vertragliche Haftung geraten kann. Daneben normieren zivilrechtliche Bestimmungen weiters umfangreiche Verkehrssicherungspflichten, die eine deliktische Haftung des Gebäudeeigentümers zur Folge haben könne, wie etwa die nach § 1319 ABGB gegenüber jedermann bestehende deliktische Gebäudehalterhaftung (Bauwerkshaftung).
Den Haftungsmaßstab bilden in diesem Zusammenhang jedoch – anders als man vielleicht glauben möchte – nicht nur die öffentlich rechtlichen Bauvorschriften, sondern vielmehr der jeweilige Stand der Technik, der allenfalls über den konsensmäßigen Zustand des Gebäudes hinausgeht und daher unter Umständen auch Nachrüstobliegenheiten bedingt.
Von einer allfälligen Haftung befreien kann sich der Gebäudeeigentümer in diesem Zusammenhang lediglich durch den Nachweis alle zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt angewendet zu haben. War ein Mangel im Rahmen der üblichen sicherheitstechnischen Kontrollen und Überprüfungen eines Objektes nicht erkennbar und daher auch der Schadenseintritt nicht vorhersehbar, so ist der Gebäudeeigentümer hiefür nicht haftbar. Dies impliziert jedoch im Hinblick auf die Gebäudesicherheit Prüf-, Kontroll- und Überwachungspflichten des Gebäudeeigentümers.
Die – seit November 2012 vorliegende, bislang jedoch wenig beachtete – ÖNORM B 1300 „Objektsicherheitsprüfungen für Wohngebäude – Regelmäßige Prüfroutinen im Rahmen von Sichtkontrollen und zerstörungsfreien Begutachtungen“ kann – durchaus als Konkretisierung der zuvor dargestellten Verpflichtungen – einen Leitfaden für Gebäudeeigentümer und Immobilienverwalter bilden, zumal sie – wie bereits der Titel der vorliegenden ÖNORM verrät – die zum Zwecke der Gebäudesicherheit in regelmäßigen Abständen durchzuführenden Objektprüfungen standardisiert.
Ganz generell versteht die ÖNORM B 1300 in diesem Zusammenhang insbesondere baulich-technische Vorsorge- und Erhaltungspflichten, wie etwa Informationspflichten, Benutzervorschriften oder Warnhinweise, sowie Kontroll- und Überwachungspflichten als typische Objektsicherheitspflichten.
Die von der ÖNORM vorgesehenen sogenannten Objektsicherheits-Prüfroutinen, also die im Sinne der Gebäudesicherheit in regelmäßigen Abständen durchzuführenden Sicherheitsüberprüfungen eines Objektes, sollen dabei anhand von wiederkehrenden Sichtkontrollen und zerstörungsfreien Sicherheitsbegehungen erfolgen.
Anwendung findet die vorliegende ÖNORM B 1300 auf Wohngebäude, in denen sich zumindest eine Wohnung befindet, solange diese nicht als Dienst-, Natural- oder Werkswohnung überlassen wurde, sowie auf alle weiteren in baulichem und rechtlichem Zusammenhang stehenden, für die Nutzung vorgesehenen Einrichtungen und Anlagen. Sicherheitsüberprüfungen in Bestandseinheiten, die aufgrund vertraglicher Vereinbarung einer ausschließlichen Nutzung unterliegen, wie zB Wohnungen, Büros, Geschäftsräume oder bestehende Betriebsanlagen samt jeweiligem Zubehör, sind jedoch vom Anwendungsbereich der ÖNORM ausgenommen.
Zwecks einfacher Handhabung der Bestimmungen gliedert die ÖNORM B 1300 die Sicherheitsbelange für Wohngebäude in vier Fachbereiche, nämlich in technische Objektsicherheit, Gefahrenvermeidung und Brandschutz, Gesundheits- und Umweltschutz sowie Einbruchsschutz und Schutz vor Außengefahren.
- Demnach umfasst der Fachbereich „Technische Objektsicherheit“ alle baulichen, technischen und organisatorischen Vorkehrungen zur Aufrechterhaltung einer ordnungsgemäßen und sicheren Gebäudesubstanz, wie etwa die Gebäudehülle oder das Tragwerk eines Gebäudes.
- Dem Fachbereich „Gefahrenvermeidung und Brandschutz“ sind alle jene baulichen, technischen und organisatorischen Vorkehrungen zugeordnet, die dem vorbeugenden und unmittelbaren Brandschutz, dem Schutz für den Fall von Gasaustritt, der Objekträumung im Gefahrenfall, sowie dem Schutz vor Gefahren in Folge von Witterungsbedingungen in Wohngebäuden und Gesamtanlagen dienen, so zB brandabschnittsbildende Bauteile, Fluchtwege oder Blitzschutzanlagen.
- Alle baulichen, technischen und organisatorischen Vorkehrungen zur Aufrechterhaltung gesunder und im Einklang mit Regelungen des Umweltschutzes stehender (Lebens-)Bedingungen in Wohngebäuden und Gesamtanlagen, wie beispielsweise Hygienevorkehrungen im Zusammenhang mit Lüftungsanlagen oder gemeinschaftlich genutzten Schwimmbädern, beinhaltet der Fachbereich „Gesundheits- und Umweltschutz“.
- Der Fachbereich „Einbruchsschutz und Schutz vor Außengefahren“ umfasst schließlich alle baulichen, technischen und organisatorischen Vorkehrungen im Zusammenhang mit dem Einbruchs- und Zutrittsschutz, dem Zivilschutz und dem Schutz vor Naturgefahren in Wohngebäuden und Gesamtanlagen, wozu etwa auch Zutrittskontrolleinrichtungen zählen.
Ausgehend von diesen vier genannten Fachbereichen sieht die ÖNORM B 1300 die Erstellung einer individuellen Checkliste für ein konkretes Gebäude, basierend auf dessen aktuellem Bauzustand und der tatsächlich vorhandenen Ausstattung, vor, auf deren Grundlage schließlich die Sicherheitsüberprüfung der baulichen Elemente und technischen Anlagen erfolgen soll. In diesem Zusammenhang bietet die ÖNORM B 1300 in ihrem Anhang auch eine exemplarische Checkliste als praxisorientierte Hilfestellung.
Diese sogenannten Objektsicherheits-Prüfroutinen sollen laut der ÖNORM zumindest einmal jährlich erfolgen, die diesbezüglichen Prüfergebnisse fortlaufend dokumentiert und diese Unterlagen sodann mindestens zehn Jahre lang aufbewahrt werden, um so einem Gebäudeeigentümer – und auch Immobilienverwalter – anhand dieser strukturierten Dokumentation des Bauzustandes eines Gebäudes eine effizientere Früherkennung von Mängeln und Schäden zu ermöglichen.
Darüber hinaus normiert die ÖNORM B 1300 auch die Verantwortlichkeit der Gebäudeeigentümer für die Durchführung der Sicherheitsüberprüfung und empfiehlt die Benennung von Sicherheitsbeauftragten, was eine Übertragung dieser Pflichten auf fachkundige Experten ermöglicht. Die ÖNORM hält dabei jedoch gleichermaßen fest, dass eine solche Übertragung der Pflichten den Gebäudeeigentümer nicht gänzlich von seinen Verpflichtungen entlastet, sondern diesem vielmehr auch weiterhin die Kontrolle und Überwachung der Einhaltung der übertragenen Aufgaben obliegt.
Es ist zu erwarten, dass die Regelungen der ÖNORM B 1300 – die durchaus Parallelitäten und Überschneidungen mit den Bestimmungen der Wiener Bauordnung idgF aufweisen – auch in die zivilrechtliche Rechtsprechung Eingang finden und als Messlatte für den vom Gebäudeeigentümer anzuwendenden Sorgfaltsmaßstab dienen. In der Praxis empfiehlt es sich daher Wohngebäude in regelmäßig wiederkehrenden Abständen auf Gefahrenpotentiale hin überprüfen zu lassen, um so das Risiko einer möglichen zivilrechtlichen Haftung von vornherein zu minimieren. Die durchzuführenden Sicherheitsüberprüfungen sollten hiebei jeweils im Einklang mit den anzuwendenden baurechtlichen Vorschriften (zB Wiener Bauordnung) und der ÖNORM B 1300 strukturiert vorgenommen und vor allem auch exakt dokumentiert werden, um spätere Beweisschwierigkeiten zu vermeiden. Die ÖNORM B 1300 regelt diesbezüglich – angesichts der ständigen Rechtsprechung – zwar keine substantiellen Neuheiten, kann aber dennoch Gebäudeeigentümern und Immobilienverwaltern eine sinnvolle Hilfestellung bei der Organisation und Durchführung von Sicherheitsüberprüfungen leisten.