Bauordnungen der Länder, Baubewilligung, Planwechsel, konsenslose Bauführung, konsenswidrige Bauführung, Fertigstellungsanzeige, Vollendungsmeldung, unzulässige Benützung, rechtliche Konsequenzen, Verwaltungsrecht, Verwaltungsstrafrecht, baurechtliche Folgen, zivilrechtliche Folgen, Gewährleistung, Mietzinsminderung, Schadenersatz, versicherungsrechtliche Folgen, strafrechtliche Folgen
Durch die Bauordnungen gesetzter Rahmen
Die Errichtung von Gebäuden und sonstigen baulichen Anlagen sowie die Änderung von Gebäuden und sonstigen Anlagen bedarf idR einer Baubewilligung. Die Vollendung von bewilligungspflichtigen Vorhaben ist der Behörde idR zu melden.
Die Fertigstellungsanzeige, etc dient üblicherweise der Bestätigung gegenüber der Behörde, dass das Bauvorhaben bewilligungsgemäß und im Einklang mit den Bauvorschriften ausgeführt wurde. Verwaltungsrechtlich ist angeordnet, dass das Bauwerk oder die Anlage vor Erstattung einer vollständigen Fertigstellungsanzeige, etc nicht benützt werden darf.
Wenn bei der Bauausführung Abweichungen von der Baubewilligung auftreten, die (noch) nicht bewilligt sind, kann demnach eine konsensgemäße Ausführung nicht bestätigt und somit eine Fertigstellungsanzeige, Vollendungsmeldung, etc (noch) nicht abgegeben werden.
Folglich dürften die errichteten Bauwerke oder Anlagen – zumindest vorerst (mangels Behördenkonsenses) – auch nicht benützt werden.
Der Bauwerber hat bei Einhaltung aller baurechtlichen Bestimmungen einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Baubewilligung bzw auf Abänderung der Baubewilligung. Wird jedoch eine Auswechslungsplanung nicht bewilligt, bleibt die ursprüngliche Baubewilligung unverändert in Kraft und legt somit den behördlich genehmigten Zustand fest.
Es soll hier kurz dargestellt werden, welche rechtlichen Auswirkungen die Benützung eines Gebäudes vor Fertigstellungsanzeige, Vollendungsmeldung, etc hat, insbesondere dann, wenn die Fertigstellungsanzeige, Vollendungsmeldung, etc deshalb unterbleibt bzw unterbleiben muss, weil das ausgeführte Bauvorhaben vom bewilligten Behördenkonsens abweicht.
Festzuhalten ist dazu jedoch, dass in Österreich neun verschiedene Bauordnungen bestehen, sodass hier nicht jede einzelne landesgesetzliche Regelung im Detail abgebildet, sondern vielmehr nur ein allgemeiner Überblick gegeben werden kann.
Rechtliche Konsequenzen einer Errichtung oder Benützung ohne Bewilligung / ohne Fertigstellungsanzeige
Baurechtliche Folgen
Stellt die Behörde fest, dass ein Bauvorhaben ohne Bewilligung oder in Abweichung von einer erteilten Bewilligung errichtet wurde, hat sie dem Bauwerber / Grundeigentümer aufzutragen, binnen angemessener Frist entweder eine Bewilligung zu erwirken oder den rechtmäßigen Zustand herzustellen (also die konsenslos errichteten Bauten zu beseitigen bzw die konsenswidrige Bauführung entsprechend der Baubewilligung anzupassen).
Kann eine Bewilligung nicht erlangt werden, etwa weil sich der Antrag als nicht bewilligungsfähig erweist, ist der gesetzmäßige Zustand herzustellen. Bei Gefahr für Leib und Leben kann die Behörde idR auch Sofortmaßnahmen anordnen (zB die sofortige Schließung der konsenslos errichteten Bauten).
Zudem belegen die einzelnen Bauordnungen unter anderem das Errichten von bewilligungspflichtigen Gebäuden ohne Baubewilligung und das Benützen solcher Bauwerke ohne Fertigstellungsanzeige, Vollendungsmeldung, etc mit verwaltungsstrafrechtlichen Sanktionen.
Zivilrechtliche Folgen
Die Frage nach zivilrechtlichen Ansprüchen stellt sich vor allem dann, wenn Personen oder Sachen durch einen bauordnungswidrigen Zustand zu Schaden kommen (etwa Schmerzengeld, Heilungskosten, Ersatz der beschädigten Sache, etc).
Zivilrechtlich relevant ist das Fehlen des Behördenkonsenses aber auch, wenn das Bauwerk bereits von Dritten, etwa von Bestandnehmern, benützt wird. Einerseits stellt das Fehlen des Behördenkonsenses diesen gegenüber idR einen Rechtsmangel dar, der entsprechende Gewährleistungsansprüche der Bestandnehmer nach sich ziehen kann. Andererseits wird die Beseitigung eines konsenslosen Zustandes aber nur mit Zustimmung der betreffenden Bestandnehmer möglich sein, wobei damit zu rechnen ist, dass die jeweiligen Bestandnehmer ihre Zustimmung – sofern sie eine solche überhaupt erteilen – davon abhängig machen, dass ihnen allfällige durch die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes bedingte Beeinträchtigungen der Benützung und des Betriebes sowie allfällige daraus resultierende Schäden (entgangener Gewinn, etc) abgegolten werden.
Mit Ansprüchen von Bestandnehmern ist vor allem dann zu rechnen, wenn für den tatsächlich ausgeführten Zustand die Baubewilligung letztendlich nicht erlangt und den Bestandnehmern daher die vereinbarte Nutzung der Bestandobjekte nicht gewährt werden kann (Rechtsmangel). Mögliche Ansprüche der Bestandnehmer umfassen diesfalls etwa nicht nur Mietzinsminderungsansprüche, sondern auch – durchaus weitreichende – Schadenersatzansprüche (zB Kosten einer notwendigen Ersatzanmietung, entgangener Gewinn, usw).
Schadenersatzansprüche setzen voraus, dass der Schaden auf ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des Bauwerbers / Grundeigentümers / Bestandgebers zurückzuführen ist. Die Benützung von Gebäuden oder deren Überlassung zur Benützung durch Dritte ohne Vorliegen einer entsprechenden Baubewilligung bzw ohne vorherige Erstattung einer gesetzmäßigen Fertigstellungsanzeige, Vollendungsmeldung, etc ist als Verstoß gegen die jeweilige Bauordnung rechtswidrig und indiziert im Falle eines Schadenseintritts idR auch das Vorliegen eines schuldhaften Verhaltens.
Ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten – wozu auch ein Unterlassen zählt – löst dann schadenersatzrechtliche Folgen aus, wenn es für den Schadenseintritt kausal war: Ein solcher Kausalitätszusammenhang besteht etwa, wenn der Schaden bei konsensgemäßer Beschaffenheit des Bauwerks nicht eingetreten wäre.
Versicherungsrechtliche Folgen
Versicherungsverträge (zB Betriebshaftpflicht, All-Risk) und die zugrunde liegenden Bedingungen enthalten oftmals Klauseln, die die Einhaltung einschlägiger Rechtsvorschriften zur Obliegenheit erklären, und bei deren Verletzung die Leistungsfreiheit des Versicherers vorsehen. Zudem sind vertraglich häufig auch Risikoausschlüsse für die qualifiziert schuldhafte (dh idR vorsätzliche oder grob fahrlässige) Herbeiführung eines Versicherungsfalls durch den Versicherungsnehmer oder bestimmte ihm gleichzuhaltende Personen vorgesehen, die einen Deckungsausschluss bewirken.
Unter diesen Prämissen ist eine Leistungsfreiheit der Versicherung somit dann denkbar, wenn das (dem Versicherungsnehmer bekannte) Fehlen oder Missachten der Baubewilligung kausal für einen Schaden war bzw der Schaden dadurch zumindest vergrößert wurde.
Strafrechtliche Folgen
Die Frage nach den strafrechtlichen Konsequenzen eines bauordnungswidrigen Verhaltens stellt sich vorrangig dann, wenn Personen durch ein solches Verhalten zu Schaden kommen. In Betracht kommen hiebei etwa die Delikte der fahrlässigen Körperverletzung (§ 88 StGB) bzw der fahrlässigen Tötung (§§ 80f StGB). Bei juristischen Personen kommt zudem eine strafrechtliche Verantwortlichkeit nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz in Betracht.
Auch unter strafrechtlichen Gesichtspunkten ist jeweils zu prüfen, ob ein kausales, rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des Schädigers vorliegt. Es kann hiezu grundsätzlich auf die oben zu den zivilrechtlichen Ansprüchen gemachten Ausführungen verwiesen werden.
Ergebnis
Die in den Bauordnungen getroffenen gesetzlichen Anordnungen dürfen nicht auf „die leichte Schulter“ genommen werden.
Insbesondere die Errichtung eines bewilligungspflichtigen Bauwerks ohne Baubewilligung oder in Abweichung von der erteilten Baubewilligung ist rechtlich riskant und kann neben verwaltungsrechtlichen und verwaltungsstrafrechtliche
n Sanktionen auch zivil-, versicherungs- und strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Dasselbe gilt sinngemäß bei Missachtung der Regelungen, die eine Benützung eines Bauwerks vor Erstattung der Fertigstellungsanzeige, Vollendungsmeldung, etc untersagen.
Die Relevanz der gesetzlichen Anordnungen besteht aber keineswegs nur für den ursprünglichen Bauwerber / Grundeigentümer. Auch die Erwerber eines bereits errichteten Bauwerks sollten sich daher noch vor dem Erwerb über die Einhaltung der baurechtlichen Vorschriften – insbesondere über das Bestehen einer rechtskräftigen, den tatsächlichen Bauzustand deckenden Baubewilligung und das Vorliegen einer entsprechenden Fertigstellungsanzeige, Vollendungsmeldung, etc – vergewissern.