Eine Wohnungskäuferin nahm an, dass der Innenhofgarten Allgemeinfläche sei und von allen Eigentümern benutzt werden darf. Tatsächlich ist der Garten exklusiv der Wohnung im Erdgeschoß zugeordnet und steht daher der Allgemeinheit nicht zur Verfügung. Das Gericht ließ die Rückabwicklung des Kaufvertrages wegen Irrtums über die Benützungsmöglichkeit des Gartens zu.
Ein Bauträger kaufte 2013 ein altes Zinshaus in Wien, sanierte dieses und baute das Dachgeschoss aus. Es wurde Wohnungseigentum begründet. Mit dem Verkauf der Wohnungen wurde ein Immobilienmakler beauftragt.
2016 interessierte sich eine Dame für eine Wohnung im 2. Stock mit Balkon. Sie hatte eine eigene Immobilienmaklerin beauftragt, eine für sie geeignete Wohnung zu suchen. Die Maklerin übermittelte ihr die Informationsbroschüre des Immobilienmaklers des Bauträgers für das betreffende Wohnhaus. Unter der allgemeinen Beschreibung des Hauses ist u.a. angeführt, dass die meisten Wohnungen über Terrasse oder Balkon verfügen und der private Garten des Hauses zum relaxen im Grünen einlädt.
Vor Unterfertigung des Kaufvertrages erhielt die Dame über die Immobilienmakler und den Vertragserrichter und Treuhänder den Entwurf des Vertrages, das Nutzwertgutachten und den Wohnungseigentumsvertrag. In diesen Unterlagen ist festgelegt, dass der Garten, bis auf eine kleine Fläche für den Müllplatz als Eigengarten der Wohnung im Erdgeschoss zugeteilt ist und zu diesem Wohnungseigentumsobjekt gehört.
Die Dame kaufte die Wohnung.
Kurz vor Ablauf der 3-jährigen Verjährungsfrist klagte die Dame 2018 auf Rückabwicklung des Kaufvertrages, weil sie den Garten nicht benützen darf. Die Angabe in der Informationsbroschüre hätte in ihr die Meinung geweckt, dass der Garten Allgemeinfläche sei und von allen Eigentümern benützt werden kann. Hätte sie gewusst, dass der Garten ein Eigengarten der Eigentümer der Wohnung im Erdgeschoss ist, hätte sie die Wohnung nicht gekauft.
Das Handelsgericht Wien hält die Formulierung in der Informationsbroschüre für irreführend, weil damit suggeriert wird, dass es eine Gartenfläche gäbe, die allen zur Benützung zur Verfügung stehen würde.
Wesentlicher Geschäftsirrtum
Um einen Vertrag wegen Irrtums anfechten zu können und die Rückabwicklung zu fordern, bedarf es gemäß § 871 ff ABGB eines wesentlichen Geschäftsirrtums. Dabei muss sich die Vorstellung der irrenden Wohnungskäuferin auf die Punkte des Vertragsgegentandes beziehen.
Das Handelsgericht Wien ging davon aus, dass die Angaben in der Informationsbroschüre stillschweigend zum Inhalt des Kaufvertrages wurden. Da Immobilienmakler regelmäßig Verhandlungsgehilfen ihres Auftraggebers sind, hat der Bauträger sich die Angaben und Aussagen des von ihm beauftragten Immobilienmaklers in dessen Broschüre zuzurechnen.
Wesentlich ist ein Geschäftsirrtum dann, wenn die irrende Wohnungskäuferin den Kaufvertrag bei Kenntnis der tatsächlichen Gegebenheiten nicht abgeschlossen hätte.
Vor Gericht erklärte die Wohnungskäuferin, dass ihr die Gartennutzung wichtig sei, auch wenn sie dies 3 Jahre lang weder beim Bauträger noch bei der Hausverwaltung geltend machte. Das Nutzwertgutachten und den Wohnungseigentumsvertrag mit der Zuteilung des Gartens zur Wohnung im Erdgeschoss hätte sie zwar vor Unterfertigung des Kaufvertrages bekommen, sie hätte sich diese Unterlagen aber nicht angesehen bzw. seien diese nicht vollständig gewesen. Das Gericht glaubte ihr und verwies auch darauf, dass eine explizite Aufklärung über die Aufteilung der Gartenfläche nicht erfolgt sei.
Rechtliche Folge des Geschäftsirrtums
Bei einem unwesentlichen Irrtum, bei welchem der Vertrag schon abgeschlossen worden wäre, aber mit anderem Inhalt, ist nur eine Vertragsanpassung, meist eine Minderung des Kaufpreises denkbar.
Liegt der Irrtum aber in einem wesentlichen Punkt des Vertrages, kann die Aufhebung und Rückabwicklung des Kaufvertrages verlangt werden. Das Gericht urteilte, dass die Benützung des Gartens eine wertbildende Eigenschaft und somit wesentlich für den Kauf der Wohnung im 2. Stock sei und somit ein wesentlicher Geschäftsirrtum vorliege.
Der Kaufvertrag wurde vom Gericht aufgehoben und der Bauträger musste den Kaufpreis samt 4% Zinsen p.a. an die Dame zurückzahlen.
Ein Benützungsentgelt musste die Dame für die Benützung der Wohnung für 5 Jahre nicht bezahlen.
Konsequenz dieser Entscheidung
Bauträger und die von ihnen beigezogenen Immobilienmakler sollten bei der Formulierung von Informations- und Verkaufsbroschüren tunlichst auf die Angaben achten, um keine falschen Eindrücke zu vermitteln.
Für die Wohnungskäuferin war das Verfahren ein voller Erfolg. Sie gab die Wohnung letztlich nach 5 Jahren an den Bauträger zurück und bekam den vollen Kaufpreis mit 4% verzinst zurückbezahlt. Für die jahrelange Benützung musste sie nur die Betriebskosten bezahlen.
Ich hoffe, es spricht sich nicht herum, dass nach Ansicht des Handelsgerichtes Wien bei einem Missverständnis im Vorfeld des Abschlusses des Kaufvertrages über eine allgemeine Fläche eine Eigentumswohnung jahrelang kostenlos benützt werden kann. Das würde Wohnungsverkäufer in große Probleme bringen.