Schlussrechnungsvorbehalt

© Martin Kozcy

In der Praxis stellt sich häufig die Frage, ob ein Auftragnehmer nach Legung der Schlussrechnung Nachforderungen geltend machen kann – entweder, weil er die Verrechnung von Leistungen vergessen hat, oder weil der Auftraggeber vom Schlussrechnungsbetrag Abzüge vornimmt und entsprechend weniger bezahlt. Der OGH hat sich kürzlich im Verfahren zu 10 Ob 65/12z erneut mit dem Schlussrechnungsvorbehalt auseinandergesetzt und bestätigt, dass ein Auftragnehmer bereits mit dem ersten Vorbehalt klarstellen kann, dass er Rechnungskorrekturen bzw Rechnungsabzüge nicht akzeptiert und seine durch die aufgeschlüsselte Schlussrechnung dokumentierte Forderung vollinhaltlich aufrecht erhält. Dies gilt auch, wenn der AG mehrere Schlussrechnungen leistet. Die Frage, ob der Auftragnehmer einen ausreichenden Vorbehalt gemacht hat, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

Der Oberste Gerichtshof hat sich im Rechtsstreit im Verfahren zu 10 Ob 65/12z mit einem Sachverhalt auseinandergesetzt, bei welchem der Auftragnehmer einen Teil der vom Auftraggeber vorgenommenen Korrektur der Schlussrechnung vom 31.03.2006 akzeptierte, jedoch mit Schreiben vom 05.10. 2006 bekannt gab, welche vom Auftraggeber konkret aufgelisteten Abzüge nicht akzeptiert werden. Dieses Schreiben führte zu einer Besprechung am 31.10.2006, bei der es jedoch zu keiner Einigung der Streitteile kam. Der Auftraggeber leistete mehrere Teilzahlungen auf die Schlussrechnung, bezahlte aber in Summe nicht den gesamten Schlussrechnungsbetrag. Der Auftragnehmer musste die Klage einbringen.  Im Verfahren wandte der Auftraggeber Verjährung ein, weil der Auftragnehmer nicht alle unvollständigen Teilzahlungen beeinsprucht hatte.

Verjährung

Die Frage, wann Forderungen in Rechnung zu stellen sind und die Verjährung beginnt, spielt gerade bei komplexen Bauprojekten, die über mehrere Jahre hinweg laufen, eine große Rolle. Eine verjährte Forderung kann nicht mehr eingeklagt werden.

Nach allgemeinem Zivilrecht verjähren Mehrkostenforderungen binnen drei Jahren ab Fälligkeit (§ 1486 ABGB). Den Beginn der Fälligkeit von Mehrkostenforderungen hat der OGH vergangenes Jahr in der Entscheidung 3 Ob 180/12k vom 17.10.2012 klargestellt: Mehrkostenforderungen werden nicht bereits mit der Geltendmachung der Mehrkosten mittels Teilrechnung fällig, sondern grundsätzlich erst gemeinsam mit dem endgültigen „gewöhnlichen“ Werklohn, also bei der Schlussrechnungslegung. Grundsätzlich verjähren Werklohnansprüche daher binnen drei Jahren ab Fälligkeit der Schlussrechnung.

Schlussrechnungsvorbehalt nach ÖNORM B 2110

Diesem Sachverhalt lag die Bestimmung des Punktes 5.30.2 der ÖNORM B 2110:2002 zu Grunde. Die Bestimmung schränkt die allgemeine Verjährungsregelung ein und normiert wie folgt:

Die Annahme der Schlusszahlung auf Grund einer Schluss- oder Teilschlussrechnung schließt nachträgliche Forderungen für die vertragsgemäß erbrachten Leistungen aus, wenn nicht ein Vorbehalt in der Rechnung enthalten ist oder binnen drei Monaten nach Erhalt der Zahlung schriftlich begründet erhoben wird. Weicht die Schlusszahlung vom Rechnungsbetrag ab, beginnt die Frist von drei Monaten frühestens mit schriftlicher Bekanntgabe der nachvollziehbaren Herleitung des Differenzbetrages.“

Diese Bestimmung findet sich ebenso in der aktuellen ÖNORM B 2110 vom 15.3.2013 wieder.

Die Regelung erfasst zum einen den Fall, dass der Auftragnehmer bewusst oder unbewusst nicht alle Forderungen in der Schlussrechnung geltend macht, wobei er hierbei einen Vorbehalt in der Schlussrechnung setzen muss. Zudem wird der für die OGH-Entscheidung zu 10 Ob 25/12z Fall relevante Fall erfasst, in dem der Auftraggeber Abzüge vom Schlussrechnungsbetrag vornimmt und eine unvollständige Zahlung leistet.

Der Auftragnehmer kann die strittige Forderung nicht mehr einklagen kann, wenn er es unterlässt einen Vorbehalt zu erklären. Die sachliche Rechtfertigung für diese für den Auftragnehmer nachteilige Sonderregelung liegt im Zweck der Bestimmung, die Rechtslage bei Bauprojekten mit zumeist hohen Auftragssummen möglichst innerhalb kurzer Zeit zu klären (8 Ob 141/07d ua; RIS-Justiz RS0122419). Der Auftraggeber soll zu einem möglichst frühen Zeitpunkt das gesamte Ausmaß seiner Verpflichtungen überschauen und erfahren können (7 Ob 208/07z mwN ua).

Keine Verpflichtung zu andauernd erneuten Vorbehalten

Die Bestimmung über den Schlussrechnungsvorbehalt stellt allerdings nicht klar, ob der Auftragnehmer bei mehreren Teilzahlungen des Auftraggebers auf die Schlussrechnung nach jeder einzelnen Schlusszahlung des Auftraggebers, die vom Rechnungsbetrag abweicht, einen Vorbehalt setzen muss. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs besteht keine Verpflichtung des Auftragnehmers zu wiederholten Vorbehalten (RS0124589; 1 Ob247/08t; 8 Ob164/08p). Es erscheine nach Rechtsansicht des OGH nämlich keineswegs sachgerecht, den Auftragnehmer, der bereits eindeutig und unmissverständlich die gesamte Rechnungsforderung durch einen entsprechenden „Vorbehalt“ aufrecht erhalten hat, nur deshalb bei sonstigem Anspruchsverlust zu neuerlichen (gleichlautenden) Erklärungen zu „zwingen“, weil der Auftraggeber in der Folge weitere als „Schlusszahlung“ bezeichnete (unvollständige) Zahlungen leistet, so der OGH.

Unmissverständliche Vorbehaltserklärung genügt

Im streitgegenständlichen Sachverhalt hat der Auftragnehmer mit dem „ersten“ Vorbehalt klargestellt, dass er die Rechnungskorrekturen nicht akzeptieren und seine durch die aufgeschlüsselte Schlussrechnung dokumentierten Forderungen aufrechterhalten wird.

Der Auftraggeber musste sich aufgrund des eindeutigen Vorbehalts darauf einstellen, dass der Auftragnehmer in Zukunft den Differenzbetrag geltend machen wird, so der OGH. Dass es in vielen Fällen nach diesem „Vorbehalt“ noch zu Gesprächen kommt, in denen die Auffassungsunterschiede in einzelnen Punkten ausgeräumt werden und der Auftraggeber nachträglich vorher bestrittene Rechnungspositionen akzeptiert, begründet kein zusätzliches oder neues Klarstellungsinteresse, sondern führt lediglich dazu, dass sich die strittigen Rechnungspositionen vermindern (1 Ob 247/08t, 8 Ob 164/08p ua; RIS-Justiz RS0124589).

Frist

Die ÖNORM B 2110 sieht vor, dass nachträgliche Forderungen des Auftragnehmers ausgeschlossen sind, wenn der Vorbehalt nicht innerhalb von drei Monaten nach Erhalt der Zahlung schriftlich erhoben wird. Dabei ist zu beachten, dass diese Frist regelmäßig vertraglich verkürzt wird. Im Einzelfall kann die Verkürzung der Frist auf weniger als sechs Wochen für den Auftragnehmer gröblich benachteiligend sein, wenn für die Verkürzung der Frist keine sachliche Rechtfertigung besteht 8Ob109/04v).

Die Frist beginnt jedenfalls frühestens mit schriftlicher Bekanntgabe der nachvollziehbaren Herleitung des Differenzbetrags durch den Auftraggeber zu laufen. Die Annahme der Zahlung gilt nach der Rechtsprechung als das die Frist auslösende Ereignis. Der OGH begründet diesen Zeitpunkt damit, dass sowohl in der Überschrift als auch im Text ausdrücklich auf die „Annahme der Zahlung“ abgestellt wird und nicht auf die Kürzung der Rechnung schlechthin. Die ÖNORM B 2110 misst die Bedeutung eines Rechtsverzichts nur der Annahme der Zahlung (bei fehlendem Vorbehalt) bei. Die Gleichstellung einer geleisteten (Teil-)Schlusszahlung mit einer „endgültigen Ablehnung weiterer Zahlungen“ würde über den engen Wortlaut der ÖNORM-Bestimmung hinausgehen (7 Ob 208/07z). Der Auftragnehmer muss keinen Schlussrechnungsvorbehalt erheben, wenn der Auftraggeber keine Zahlung auf die Schlussrechnung leistet.

Fazit

Bei einer Schlussrechnungslegung ist sorgfältig zu prüfen, ob alle Leistungen abgerechnet werden können, insbesondere alle Mehrkostenforderungen bereits der Höhe nach bezifferbar sind. Ist dies nicht der Fall, muss bei Schlussrechnungslegung unbedingt ein möglichst konkreter Vorbehalt erhoben werden. Leistet der Auftraggeber eine unvollständige Schlusszahlung sollte der Auftragnehmer ebenfalls einen konkreten Vorbehalt erheben. Ein eindeutiger Vorbehalt sichert die Geltendmachung des Differenzbetrages, auch wenn es nach dem schriftlichen Vorbehalt zu Gesprächen zwischen den Vertragsparteien kommt, in denen die Auffassungsunterschiede in einzelnen Punkten ausgeräumt werden. Ein solches Gespräch erhält trotz weiterer Rechnungskorrekturen nach Geltendmachung des Vorbehalts die Forderungen des Auftragnehmers vollinhaltlich aufrecht.

Schließlich ist zu beachten, dass die in der ÖNORM angegebene Frist von drei Monaten für die Erhebung eines Vorbehalts regelmäßig vertraglich verkürzt wird. Eine gröbl
iche Benachteiligung des Auftragnehmers kann bei Verkürzung der Frist auf weniger als sechs Wochen vorliegen.

Katharina Müller
Müller Partner Rechtsanwälte