Unzulässige Mietvertragsklauseln

© Martin Kozcy

In der Vergangenheit sind bereits mehrfach Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes zur unzulässigkeit von Mietvertragsklauseln ergangen. Diese Entscheidungen haben leider mehr zur Verwirrung als zur Aufklärung der Rechtslage beigetragen, insbesondere was die Erhaltungspflicht des Mieters betrifft. Ein aktuelles OGH-Judikat befasst sich mit der Überbindung der Erhaltungspflicht auf den Mieter; mit Auswirkung auf Geschäftsraummieten?

Zur Erhaltungspflicht bei Wohnungsmieten ergingen in den letzten vier Jahren heiß diskutierte OGH Entscheidungen. In den berühmten ersten beiden „Klauselentscheidungen“ 7 Ob 78/06f 39 und 1 Ob 241/06g hat der OGH etliche Klauseln von Musterverträgen für Wohnungen als unzulässigbeurteilt, unter anderem die Überbindung der Erhaltungspflicht auf den Mieter. Die Erhaltung sei Gewährleistung. Die Abbedingung oder Überwälzung der gesetzlichen Erhaltungspflicht des Vermieters (geregelt in § 1096 ABGB) sei ein im Verbrauchergeschäft unwirksamer Gewährleistungsausschluss. Ein Verbrauchergeschäft kommt nur bei Wohnungsmieten oder Geschäftsgründungen infrage, sodass sich die Geschäftsraumvermieter vorerst gelassen zurücklehnten und die Geschäftsraummieter nicht hellhörig wurden. Die Diskussion wurde nur für Wohnungsmieten geführt.

Die Komplexität des österreichischen Mietrechts ließ nicht nur juristische Laien bald resignieren, lasen sie die in regelmäßigen Abständen ergangenen Gerichtsentscheidungen, Lehrmeinungen und Medienberichte. Klarheit für Mieter und Vermieter gibt es bis dato nicht. Jeder, der die Diskussion um die Erhaltung im Mietrecht verfolgte, kennt mittlerweile den sogenannten „Graubereich“, wenn ein Mietvertrag – unabhängig ob Wohnungs oder Geschäftsraummiete – in den Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes (MRG) fällt (im Wesentlichen Mietverträge über Mietgegenstände in vor 1953 errichteten Häusern). Im MRG ist die Erhaltung des Mietgegenstands nämlich ausdrücklich geregelt. § 3 bestimmt die Erhaltungspflichten des Vermieters. Er hat die allgemeinen Teile des Hauses (z. B. Fassade; Außenfenster, nicht jedoch die Innenfensterflügel; Hausleitungen) zu erhalten, ernste Schäden des Hauses (z. B. Terrassenisolierung, nicht jedoch die Terrassenfliesen; Setzungsrisse und Risse in den Wänden bis in die Tiefe der Bausubstanz, aber keine Schäden an der Oberflächengestaltung wie Malerei, Tapeten; schadhafter Estrich, der seine Dämmfunktion verliert, weil er auch die Inhaber der darunter liegenden Wohnung beeinträchtigt) im einzelnen Mietgegenstand zu beheben und erhebliche vom Mietgegenstand ausgehende Gesundheitsgefährdungen zu beseitigen. Auch der Mieter ist zur Instandhaltung gemäß § 8 MRG nur eingeschränkt verpflichtet. Er hat den Mietgegenstand samt Einrichtungen so zu warten und, soweit keine Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 3 MRG gegeben ist, so instand zu halten, dass dem Vermieter und den anderen Mietern des Hauses kein Nachteil erwächst. Es besteht also im Vollanwendungsbereich des MRG ein Graubereich, in welchem zunächst weder Vermieter noch Mieter erhaltungspflichtig ist – eine Pattsituation, die bis heute nicht hinreichend geklärt ist.

Wende vom Konsumentenschutz zur Frage der gröblichen Benachteiligung

Während die ersten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes vornehmlich das Konsumentenschutzgesetz bemühten, um Erhaltungspflichten von Mietern zu Fall zu bringen, änderte sich die Judikatur seit letztem Jahr dahingehend, dass als maßgebender Prüfungsmaßstab der § 879 Abs. 3 ABGB herangezogen wurde. Demnach ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, jedenfalls nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles einen Teil gröblich benachteiligt. In der Entscheidung 6 Ob 104/09a wurde damit eine Endrenovierungsverpflichtung eines Wohnungsmieters zu Fall gebracht. § 879 Abs. 3 ABGB will vor allem den Missbrauch der Privatautonomie durch Aufdrängen benachteiligender vertraglicher Nebenbestimmungen seitens eines typischerweise überlegenen Vertragspartners, vor allem bei Verwendung von AGB, bekämpfen. Bei der Inhaltskontrolle orientiert man sich am dispositiven Recht. Das sind gesetzliche Regelungen, von denen durch vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien abgewichen werden kann, etwa durch Änderung oder vollständigen Ausschluss. Das dispositive Recht wird als Leitbild eines abgewogenen und gerechten Interessenausgleichs herangezogen. Nach der dispositiven Rechtsvorschrift des § 1096 ABGB hat der Vermieter den Mietgegenstand zu erhalten. Bei der Abweichung einer Klausel von dispositiven Rechtsvorschriften liegt eine gröbliche Benachteiligung eines Vertragspartners dann vor, wenn sie unangemessen ist. § 879 Abs. 3 ABGB bezieht sich auf separate AGB, Vertragsformblätter und vergleichbare einseitig vorformulierte Vertragstexte, wo typischerweise eine besondere Ungleichgewichtslage zwischen den Parteien gegeben ist. Auch der äußeren Form nach individuell gestaltete Vereinbarungen können in Wahrheit AGB beinhalten. In der Entscheidung 6 Ob 81/09v beurteilte der OGH die in einem Vertragsmuster enthaltene Erhaltungspflicht samt Verpflichtung zur Beibringung von sämtlichen Wartungsnachweisen des Mieters in Bezug auf eine Heizung als gröblich benachteiligend. Dies könne als weitgehende einseitige Abweichung vom dispositiven Recht, das für den „Durchschnittsfall“ eine ausgewogene, gerechte Rechtslage anstrebt, unter den besonderen Verhältnissen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Hinblick auf die hier typischerweise bestehende „verdünnte Vertragsfreiheit“ des Kunden nicht toleriert werden. Verdünnte Willensfreiheit bedeutet, dass ein Vertragspartner wegen der Überlegenheit des anderen Vertragspartners Vertragsbestandteile hinnimmt, die er gar nicht will. Die jüngst ergangene OGHEntscheidung 2 Ob 73/10i schlägt indie gleiche Kerbe. Eine Überwälzung unbestimmter Erhaltungspflichten, bei denen das „Ob“, „Wann“, oder „Wie viel“ nicht feststehe, sei als
Nebenbestimmung zu qualifizieren und fällt somit unter die Inhaltskontrolle im Sinne von § 879 Abs. 3 ABGB. Ob eine gröbliche Benachteiligung vorliegt, hängt im Sinn eines beweglichen Systems einerseits vom Ausmaß der objektiven Äquivalenzstörung (unbillige Änderung des vom Gesetz als dispositives Recht vorgesehenen Interessensausgleichs) und andererseits vom Grad der „verdünnten Willensfreiheit“ des benachteiligten Vertragspartners ab, wobei eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen ist. Diegenerelle Überwälzung der Erhaltung des Mietgegenstands sei zweifellos als gröblich benachteiligend zu erachten, meint der OGH.

Gröbliche Benachteiligung auch zwischen Unternehmern

§ 879 Abs. 3 ABGB ist nicht nur zwischen Verbrauchern und Unternehmern anzuwenden, sondern gilt auch bei Vertragsverhältnissen zwischen Unternehmern. Auch hier ist für den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eine umfassende Prüfung der Interessen der Vertragsparteien vorzunehmen. Dabei kommt es auf die sachliche Rechtfertigung und den Grund für eine Abweichung von der Gesetzeslage genauso an, wie auf die Möglichkeiten des Vertragspartners, die Vertragsgestaltung zu beeinflussen. Bei einer besonders gravierenden Ungleichgewichtslage sind auch zwischen Unternehmern geltende AGB, Formblätter oder vorformulierte Verträge unzulässig.

Wenn Geschäftsraummieten in den letzten Jahren noch nicht im Visier der Kritik standen, so mag sich das aufgrund der jüngsten Judikatur schlagartig ändern. Geprüft werden Mietvertragsklauseln nicht mehr nur unter dem Regime des Konsumentenschutzrechts, sondern nach dem Maßstab der auch zwischen Unternehmern geltenden gröblichen Benachteiligung des § 879 Abs. 3 ABGB. Genauso wie bei Wohnungsmietverträgen werden bei Abschluss der meisten Verträge über Geschäftsraummieten seitens der Vermieter Vertragsmuster oder vorformulierte Vertragsklauseln verwendet. Nicht nur bei Centerverträgen stehen sich oft ein überlegener Vermieter und unterlegener Mieter gegenüber. Mietvertragsklauseln, insbesondere meist umfassendste Erhaltungspflichten, müssen auch von Geschäftsraummietern schlichtweg akzeptiert werden, um an das Mietobjekt zu gelangen. Nichtigkeit dieser Klauseln droht! Im Einzelfall können aber Nachteile auch durch vorteilhafte Bestimmungen ausgeglichen werden. Ein Ausweg für den Vermieter ist die konkrete Verhandlung der jeweiligen Klauseln. Die Geltung muss gegen Verzicht auf andere Bestimmungen abgetauscht werden. Wird z. B. der Mietzins günstiger, wenn der Mieter die Erhaltung seines Objekts übernimmt, ist eine Nichtigkeit der Erhaltungsverpflichtung abgewendet.

Manuela Maurer-Kollenz