Verstöße gegen die Bauvorschriften und Haftung der Wohnungseigentümer

Verstoße gegen Bauvorschriften

Ein in der Praxis häufig vorkommendes Thema ist, dass Gebäude sowie sonstige Bauwerke (Hofanlagen, Einfriedungen, etc.) oftmals erhebliche Baumängel aufweisen bzw. nicht der baurechtlichen Bewilligung entsprechen. Dadurch können sich für Wohnungseigentümer sehr unangenehme Konsequenzen ergeben. Erwirbt man etwa eine Wohnung in einem Haus mit schlechter Bausubstanz oder weicht die Bauausführung des Hauses von der Baubewilligung ab, kann die Baubehörde („Baupolizei“) aufgrund dieser Mängel einschreiten und Bauaufträge und/oder Baustrafen erlassen, was zumeist mit beträchtlichen Kostenfolgen verbunden ist. Grund genug, um die Thematik und die diesbezügliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) in dem vorliegenden Artikel genauer zu analysieren.

Benützung und Erhaltung von Gebäuden

In Österreich fallen die Bauvorschriften in die Zuständigkeit der jeweiligen Bundesländer, was zur Folge hat, dass neun unterschiedliche Bauordnungen bzw. Baugesetze bestehen. Mehr oder weniger ähnlich geregelt werden hingegen die Fragen der Benützung und Erhaltung von Gebäuden und die Vorgangsweise bei vorschriftswidrigen Bauwerken. Eigentümer bzw. Miteigentümer haben so beispielsweise in Wien nach § 129 Wiener Bauordnung (WrBauO) dafür Sorge zu tragen, dass die „Bauwerke in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften dieser Bauordnung entsprechendem Zustand erhalten werden“. Darüber hinaus besteht in sogenannten Schutzzonen die Verpflichtung das Gebäude in „stilgerechtem“ Zustand und nach den Bestimmungen des Bebauungsplanes zu bewahren. In den anderen Bundesländern bestehen vergleichbare Regelungen (vgl. dazu etwa §§ 43 ff Kärntner Bauordnung 1996, § 19 Salzburger Baupolizeigesetz 1997, §§ 46 ff Tiroler Bauordnung 2018, etc.).

Haftung der Mit- und Wohnungseigentümer

Für die Instandhaltung – auch bewilligungsfreier Bauten – haftet ex lege der Bauwerkseigentümer. Dazu sei angemerkt, dass dieser nicht immer zwingend mit dem Grundeigentümer ident sein muss ( zB bei Vorliegen eines Baurechts oder eines Superädifikates). Wer Eigentümer der Baulichkeit ist – für die ein Bauauftrag erlassen werden soll – hat die Baubehörde grundsätzlich als zivilrechtliche Vorfrage (§ 38 AVG) zu klären. Bei einer Mehrheit von Eigentümern haftet jeder Miteigentümer solidarisch, auch wenn dies der Gesetzgeber nicht in allen Bauordnungen ausdrücklich erwähnt; dh die baurechtlichen Verpflichtungen treffen daher jeden Miteigentümer gleichermaßen und die Behörde kann auch nur einen einzelnen Miteigentümer für die Verletzung der Instandhaltungspflicht zur Verantwortung ziehen. Dieser ist dann gezwungen, seine Regressforderungen gegen die übrigen Miteigentümer zivilrechtlich bei Gericht geltend zu machen. Lediglich im Falle des Wohnungseigentums kann der Bau- bzw. Instandsetzungsauftrag nur an den betroffenen Wohnungseigentümer gerichtet werden. Dies gilt jedoch nicht hinsichtlich der allgemeinen Teile des Gebäudes („Außenhaut“ des Gebäudes zB. Dach, Gemeinschaftsräume, Stiegenhaus, Gänge, etc.). Hier kommt es wiederum zu einer Solidarhaftung der Wohnungseigentümer und jeder einzelne kann für die Beseitigung eines vorschriftswidrigen Bauwerkes oder vorschriftswidriger Veränderungen baulicher Art verantwortlich gemacht werden. Erst jüngst hat dies der VwGH in seiner Entscheidung Ra 2017/05/0259 wieder bestätigt.

Erlassung eines Bauauftrages und Ersatzvornahme

Wird von der erteilten Baubewilligung abgewichen, so sind die im jeweiligen Baugesetz für solche Fälle vorgesehenen Maßnahmen zu ergreifen, um die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes zu gewährleisten. Im Falle des Verdachts auf das Vorliegen von Baugebrechen ist die Behörde von Amts wegen verpflichtet diesem Verdacht nachzugehen sowie erforderlichenfalls entsprechende Aufträge zu erlassen und zu vollstrecken. Besonderes Augenmerk gilt es in diesem Zusammenhang auch auf Baubewilligungen zu richten, die lediglich auf Widerruf oder unter Bedingungen erteilt wurden, bei denen die Behörde jederzeit bestimmte bauliche Maßnahmen vorschreiben kann (zB Verschließen eines Durchbruchs in der Feuermauer). Ab Widerruf oder Erteilung der Vorschreibung liegt dann ein baukonsenswidriger Zustand vor, der zu beseitigen ist.
Ein Bauauftrag muss immer in Bescheidform erteilt werden. Vor Erlassung des Auftrages ist zwar keine Verhandlung vorgesehen, nach ausdrücklicher Anordnung des Gesetzgebers hat die Baubehörde aber vor Erteilung des Auftrages das betroffene Bauwerk zu prüfen (vgl. etwa § 34 Abs 2 Niederösterreichische Bauordnung). Die Zulässigkeit eines Bauauftrages hängt lediglich davon ab, ob die Instandsetzung technisch möglich ist; ihre wirtschaftliche Zumutbarkeit ist von der Behörde hingegen nicht zu prüfen. Die Erfüllung von Aufträgen ist der Behörde vom Verpflichteten schriftlich und mittels Nachweis über die vorschriftsgemäße Erledigung zu melden. Werden diese vom Verwalter oder der Eigentümergemeinschaft bzw. den Miteigentümern nicht befolgt – oder ist Gefahr im Verzug – kann die Baupolizei darüber hinaus eine sogenannte „Ersatzvornahme“ anordnen, dh sie lässt die notwendigen Arbeiten von einer Firma ihrer Wahl und auf Kosten der Eigentümer durchführen. Abgesehen von der Erlassung eines Bauauftrages kann die Verletzung der Instandhaltungsverpflichtung auch verwaltungsrechtliche Baustrafen nach sich ziehen.

Verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit

Ein fehlendes Verschulden vermag den Eigentümer eines Bauwerkes nicht von seinen Verpflichtungen, die ihm aufgrund der Bauvorschriften auferlegt werden, zu befreien und ist lediglich für die verwaltungsstrafrechtliche Beurteilung von Bedeutung. Bei einer baubehördlichen Verwaltungsübertretung (zB nach § 135 iVm § 129 WrBauO) handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs 1 Verwaltungsstrafgesetz (VStG). Da gemäß § 5 Abs 1 VStG ohne weiteres Fahrlässigkeit – und damit Strafbarkeit – anzunehmen ist, kann der „Täter“ nur dann straflos bleiben, wenn er glaubhaft macht, dass ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich gewesen ist. Der Beschuldigte muss also von sich aus darlegen, dass er während des ihm angelasteten Tatzeitraumes alles in seinen Kräften Stehende (Ausschöpfung der tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten, zB auch sich um die erforderlichen Geldmittel bemüht zu haben) unternommen hat, um die Konsenswidrigkeit innerhalb kürzester Zeit zu beseitigen. Dies wird jedoch nur in den seltensten Fällen gelingen. Da die Übertretung ein Unterlassungsdelikt ist, beginnt die Verjährungsfrist auch erst mit der Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes, dh mit der tatsächlichen Behebung der Baugebrechen, zu laufen.

Fazit

Beim Erwerb einer Wohnung wird die Frage, ob das Gebäude mit den rechtskräftig genehmigten Bauplänen übereinstimmt oder ob die Baubewilligung auf Widerruf oder unter Auflagen erteilt wurde, häufig nicht geprüft oder überhaupt nicht thematisiert. Unangenehme Konsequenz dieser Nachlässigkeit könnte sein, dass die Baupolizei einen Beseitigungsauftrag erlässt und der Erwerber als neuer Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft für die (anteiligen) Beseitigungskosten einzustehen hat. Ebenso ist die Verhängung von Verwaltungsstrafen möglich.
Vor diesem Hintergrund ist eine sorgfältige Vertragsgestaltung und Überprüfung der baubehördlichen Grundlagen unerlässlich. Zur Vermeidung von unangenehmen Überraschungen und Kostenfolgen ist die Aufnahme von Haftungsregelungen für die Verletzung von Bauvorschriften in Kaufverträgen über Wohnungseigentumsobjekte dringend zu empfehlen.

Manuela Maurer-Kollenz